Jerusalem. Wilde Gerüchte kursieren, wonach der Mossad hinter dem Helikopter-Absturz von Raisi steckt. Für Israel könnte das zur Gefahr werden.
Steckt Israel hinter dem Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi? Diese Frage wurde Montagmorgen nicht nur von proiranischen Kräften und Verschwörungstheoretikern verbreitet, auch in Israel kam das Gerücht auf. In den sozialen Medien verbreiteten sich Jubel-Kommentare, die den Auslandsgeheimdienst Mossad für seine vermeintliche Mission feierten.
Substanz haben diese Gerüchte freilich kaum. „Wir waren es nicht“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen hochrangigen israelischen Offizier. Auch unter israelischen Militärstrategen ist man sich einig: Israel profitiert nicht von Raisis Tod, ein Anschlag auf seinen Hubschrauber wäre ein sinnloses Unterfangen. Ein solches Attentat würde zwar viele Ressourcen sowohl für die Vorbereitung und die Durchführung binden, aber wenig Nutzen bringen.
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„Der Mossad hat kein Interesse am Tod von Raisi“, erklärt Meir Javedanfar, Herausgeber des Israel-Iran-Observer und Lektor an der Reichman Universität in Herzliya. „Raisi hatte keinen Einfluss auf die außenpolitische Strategie des Iran, auch in der Sicherheitspolitik hatte er nichts zu sagen. Sein Tod wird außenpolitisch kaum Auswirkungen haben“, prognostiziert Javedanfar. „Er war ein loyaler Soldat, nicht mehr und nicht weniger.“
Raisi hatte laut Experte nur wenig Einfluss auf Außenpolitik
Zwar wurde Raisi oft als potenzieller Nachfolger des obersten Führers Ali Chamenei genannt. „Es gibt aber keine handfesten Hinweise, dass er tatsächlich der Nächste in der Linie war“, sagt Javedanfar. Den größten Einfluss hatte Raisi laut dem Iran-Experten auf das repressive Justizsystem und auf die Wirtschaftspolitik im Iran. In beiden Bereichen habe der Präsident viel Zorn in der Bevölkerung auf sich gezogen, da er Regimegegner massenhaft hinrichten ließ und die Inflation im Iran in Rekordhöhen trieb.
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Noch ein weiterer Fakt spricht laut Militärstrategen gegen ein Mitmischen Israels: Raisi und Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian waren auf dem Rückflug von einem Staatsbesuch in Aserbaidschan, als beide bei dem Unglück ums Leben kamen. Aserbaidschan würde sich zum aktuellen Zeitpunkt aber nur äußerst ungern in die Affäre hineinziehen lassen, heißt es. Ohne ein Mitwirken Aserbaidschans wäre ein solches Attentat aber nicht planbar gewesen.
Tatsachen haben in Kriegen und Konflikten aber meist weniger Gewicht als gefühlte Wahrheiten. Sollte sich bei pro-iranischen Milizen die Ansicht durchsetzen, dass Israel hinter dem Tod steckt, könnte das für Israel schließlich zur Gefahr werden – und zwar dann, wenn sich pro-iranische Kräfte für ein vermeintliches Attentat rächen wollen.
Irans Außenminister hatte enge Verbindungen zur Hisbollah
Dafür spricht, dass der nun ebenfalls verunglückte iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian enge Verbindungen zum Führer der pro-iranischen Hisbollah im Libanon, Hassan Nasrallah, pflegte. Seit dem 8. Oktober ist die Hisbollah Teil des Mehr-Fronten-Kriegs gegen Israel, das Dauerfeuer auf Israels Norden lässt nicht nach.
Dass die Hisbollah den Tod Raisis nun als Vorwand für härtere Schläge gegen Israel nimmt, glaubt Javedanfar jedoch nicht. Eher sei zu erwarten, dass das Feuer aus dem Libanon in derselben Gangart anhält. Das Regime in Teheran mag Israel die Schuld an Raisis Tod geben, aber das sollte Israel nicht beunruhigen, so der Experte. „Teheran gibt Israel für alles die Schuld, das ist nichts Neues.“
Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl
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