Hamburg. Die Lokführergewerkschaft erschüttert mit ihren Dauerstreiks das Grundvertrauen der Menschen – und die Verkehrswende.
Wenn Historiker dereinst das deutsche Wirtschaftswunder erklären, das die Bundesrepublik über Jahrzehnte zu einem der erfolgreichsten Länder der Welt gemacht hat, werden sie einige Faktoren aufzählen: innovative Unternehmen, eine exzellente Infrastruktur, die Leistungsbereitschaft der Menschen und besonnene Gewerkschaften, die in einer einzigartigen Sozialpartnerschaft in guten Zeiten Gewinne fair verteilt und in schlechten Zeiten an einem Strang gezogen haben.
Vielleicht muss man inzwischen über diese Erfolgsfaktoren in der Vergangenheitsform sprechen: Die Infrastruktur wurde grob vernachlässigt, die Leistungsbereitschaft hat Schwindsucht, und nun dreht eine Gewerkschaft hohl. Schlimmer noch: Die GDL, dieses Arbeiterbündnis in Miniaturwunderlandgröße, beschädigt mit ihren Dauerstreiks die Reputation sämtlicher Gewerkschaften, schadet der deutschen Wirtschaft, dem Grundvertrauen der Menschen in den Staat und der Verkehrswende.
Bahnstreik: Die GDL hat jedes Maß verloren
Die GDL hat jedes Maß verloren. Was diese streitlustige und streikbesessene Truppe derzeit aufführt, ist kein Arbeitskampf mehr, sondern eher eine Amokfahrt. Damit wird auch das große Streikrecht beschädigt.
Natürlich gehören immer zwei dazu, wenn gestritten wird: Die Bahnvorstände müssen sich kritisch hinterfragen, welchen Anteil sie an der Zuspitzung haben. Aber wahr ist auch: Jeder Arbeitskampf des Claus Weselsky endete bislang in der totalen Eskalation: Während andere Gewerkschaften stets die Leistungsfähigkeit der anderen Seite mit im Blick haben, sieht der GDL-Chef nur Eisenbahner. Zur Not finanziert eben der Steuerzahler die überzogenen Abschlüsse. Doch die Lokführergewerkschaft schadet längst nicht nur ihrem Arbeitgeber, sie schadet allen.
Dauerstreik der GDL hat längst eine soziale Schlagseite
Der Dauerstreik der GDL hat zunächst eine soziale Schlagseite: Wer ein Auto vor der Tür stehen hat, kann in diesen Tagen ausweichen. Wer auf S-Bahnen und Züge angewiesen ist, weil er eingeschränkt, zu jung, zu alt oder zu arm ist, hat Pech gehabt. Ein funktionierender Nahverkehr war immer auch ein Versprechen der Teilhabe für alle. Weselsky ist das egal.
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Sein maßloser Ausstand trifft die deutsche Wirtschaft zur Unzeit: Die Stimmung ist verheerend, das Zutrauen in den Standort so gering wie nie zuvor. Wenn nun nicht einmal mehr Güterzüge Vorprodukte bringen oder Geschäftsreisen unmöglich werden, schadet das dem Wohlergehen dieses Landes. Erste Konjunkturforscher schrauben ihre Erwartungen weiter zurück. Weselsky ist es egal.
Vertrauen der Menschen in den Staat leidet durch Streiks
Schlimmer noch: Das Vertrauen in das Funktionieren des Staates leidet – wenn keine Züge mehr fahren und kein Flieger mehr abhebt, wähnen die Menschen sich nicht mehr in einem funktionierenden Gemeinwesen, sondern eher in einem Chaos-Staat. Deutschland erinnert dieser Tage an Griechenland in den Krisenjahren. Dieser Vertrauensverlust könnte die Wahlen beeinflussen. Dem CDU-Mitglied Weselsky ist es egal.
Und auch die viel beschworene Verkehrswende bleibt auf halbem Weg stecken: Welcher Pendler verlängert sein Deutschlandticket, wenn kein Zug fährt? Welches Unternehmen verlagert den Güterverkehr auf die Bahn, wenn diese permanent still steht? Welche Familie entscheidet sich heute noch für den Verzicht auf den Privatwagen? Sie kennen die Antwort: Weselsky ist es egal.
Dem Land kann all das nicht egal sein. Die Politik, die Gerichte und die Gesellschaft müssen eine Spartengewerkschaft zur Ordnung rufen, die sich verrannt hat. Und zwar besser heute als morgen.