Hamburg. Die Ökologisierung der Wirtschaft droht an Standortschwächen zu scheitern – mit fatalen Folgen für das Land und das Klima.

Das Versprechen klingt vielen Deutschen noch im Ohr: Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz werde Deutschland für einige Zeit „Wachstumsraten erzielen können, wie zuletzt in den 1950er- und 1960er-Jahren geschehen“, stellte Bundeskanzler Olaf Scholz vor einem Jahr in Aussicht.

Diese Traumraten früherer Zeiten, die bei rund acht Prozent lagen, sind heute weiter entfernt denn je. Im vergangenen Jahr schrumpfte die deutsche Wirtschaft um 0,3 Prozent, im laufenden Jahr soll ein mikroskopisch kleines Wachstum von 0,2 Prozent möglich sein. Vom ökologischen Wirtschaftswunder keine Spur.

Die deutsche Solarindustrie wandert ab in die USA

Ganz im Gegenteil: Nun will der Hersteller Meyer-Burger seine gerade erst aufgebaute Solarmodulfertigung in Sachsen stilllegen und komplett in die USA verlagern; die letzte Hoffnung für die Arbeitnehmer ist der Einstieg des Hamburger Start-ups 1Komma5°. Der deutsche Wärmepumpen-Marktführer Viessmann hat seine Klimasparte an den US-Konzern Carrier Global verkauft. Und wer an der Börse auf die deutschen Hoffnungswerte in Sachen grüner Transformation gesetzt hat, wurde bitter enttäuscht. Hinter grünen Aktien liegt ein rabenschwarzes Jahr, richtig gut laufen derzeit nur Rüstungsaktien.

Nun ist das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft zweifellos richtig. Und stellen die Unternehmen es geschickt an und eröffnet die Politik Räume, ist zweifellos ein kleines Wirtschaftswunder möglich. Wie es funktioniert, zeigt gerade US-Präsident Joe Biden: Mit dem Inflation Reduction Act zieht er Milliardeninvestments an; unbürokratisch gibt es üppige Steuergutschriften und Förderungen für grüne Technologien. Wer in den Genuss kommen will, muss in den USA produzieren.

Brüssel steht sich bei der Klimawende selbst im Weg

Zeitgleich verheddert sich die EU in Bürokratie und Allmachtsfantasien – wie im untergegangenen Sozialismus glaubt die Kommission von Ursula von der Leyen (CDU), dass eine gelenkte Wirtschaft am besten funktioniert. Wie gut dass klappt, weiß man auch in Hamburg. Die Stadt musste beim Elektrolyseur monatelang auf den Förderbescheid aus Brüssel warten, inzwischen sind wichtige Partner wie Shell, Vattenfall und Mitsubishi ausgestiegen – und fraglich ist auch, wer den grünen Wasserstoff nutzen soll: Potenzielle Großabnehmer, vor allem das Stahlwerk, aber auch die Aluminiumhütte, stehen vor einer ungewissen Zukunft.

Die Politik will zu viel – und macht zu wenig: Gerade in Brüssel glauben zu viele, dass Politiker nicht nur das Ziel – die Klimaneutralität – sondern zudem gleich den Weg mitdefinieren sollte. Die Elektromobilität ist dafür ein Beispiel: Hier setzt Brüssel auf eine Strategie, die der heimischen Wirtschaft schadet, die die Verbrauchen ablehnen und die deshalb dem Klima am Ende wenig nützt.

Am Ende hängt der Erfolg an den Standortbedingungen

Der Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft ist nicht im luftleeren Raum erreichbar. Die Standortbedingungen müssen stimmen, egal ob man Windräder oder Dieselmotoren, Solarzellen oder Gasheizungen produziert. In Deutschland haben sich diese Bedingungen zuletzt dramatisch verschlechtert: Die Bürokratie muss zurückgeschnitten werden, die Steuerquote ist im Vergleich zum Ausland viel zu hoch. Und die Energiepreise müssen dringend sinken. Fertigung in Deutschland ist kaum noch konkurrenzfähig.

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Am Ende ist es aber nicht nur die Politik, die über den Wohlstand und den Erfolg von morgen entscheidet, sondern wir alle: Ohne Fleiß, Einsatzbereitschaft und Unternehmertum wird es nicht gehen, mit der Fixierung auf Work-Life-Balance gerät alles aus dem Lot. Momentan ist ein grünes Wirtschaftswunder nicht in Sicht; wahrscheinlicher ist, dass wir unser blaues Wunder erleben.

Matthias Iken ist stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.
Matthias Iken ist stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts. © Andreas Laible / FUNKE Foto Services | Andreas Laible