Hamburg. Massive Einschränkungen im S-Bahn-Verkehr seit 2 Uhr am Dienstagmorgen. Idee vom Kiez: Streik-Hähne sollen im Boxkeller Ritze verhandeln.
Der Tarifstreit der Lokführer-Gewerkschaft GDL mit der Deutschen Bahn eskaliert: Kaum ging der letzte Ausstand in der vergangenen Woche zu Ende, wird seit Dienstagmorgen um 2 Uhr erneut gestreikt. Das hat nicht nur Auswirkungen auf den Fernverkehr, sondern erneut auch auf die S-Bahn Hamburg.
„Es wird zu massiven Einschränkungen im S-Bahn-Verkehr kommen“, teilte das Unternehmen vorab mit. Wie bei den fünf vorhergehenden Ausständen wird wieder ein Notfahrplan angeboten. Am Dienstagmorgen steht fest, wie dieser aussieht:
- S1 zwischen Wedel und Blankenese, zwischen Blankenese und Airport und zwischen Ohlsdorf und Poppenbüttel (20-Minuten-Takt)
- S2 zwischen Altona und Aumühle (20-Minuten-Takt)
- S3 zwischen Pinneberg und Neugraben (20-Minuten-Takt)
- S5 zwischen Neugraben und Stade (60-Minuten-Takt)
Die Unternehmen Metronom und Erixx werden nicht bestreikt, auch AKN und Nordbahn sind von den Auswirkungen des Streiks nicht betroffen. Zu größeren Verkehrseinschränkungen im Straßenverkehr kam es am frühen Morgen allerdings nicht, wie ein Sprecher der Verkehrsleitzentrale gegen 7 Uhr auf Abendblatt-Anfrage bekannt gab.
GDL-Streik bei S-Bahn Hamburg: Deutsche Bahn erwartet „massive Einschränkungen“
Die S-Bahn Hamburg bat am Montag schon einmal, überall dort, wo es möglich ist, U-Bahnen und Busse zu benutzen. Immerhin haben sich die Hamburger Hochbahn und die Gewerkschaft Ver.di in der vergangenen Woche auf einen neuen Manteltarif geeinigt. Bei den U-Bahnen und Bussen in Hamburg drohen daher keine Streiks mehr.
Hamburgs Politik reagiert mit zunehmendem Unverständnis auf die Arbeitsniederlegungen. „Die Tarifautonomie ist ebenso wie das Streikrecht ein sehr hohes Gut“, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) auf Anfrage des Abendblatts. Gleichzeitig fuße diese Tarifautonomie natürlich auch auf dem Einigungswillen der Tarifpartner. „Sehr viele Menschen leiden aktuell unter den Streiks und deshalb appelliere ich an die Beteiligten, diesen notwendigen Einigungswillen deutlich zu zeigen, um aus dieser verfahrenen Situation wieder herauszufinden.“
Die Deutsche Bahn kritisierte die kurzfristige Ankündigung von Warnstreiks scharf. Die GDL mache ihre Drohung wahr, Streiks nicht mehr 48 Stunden vorher anzukündigen, teilte das Unternehmen in Berlin mit. „Das ist für Millionen von Bahnreisenden und die Wirtschaft eine blanke Zumutung.“ Der Streik werde sich erneut massiv auf den gesamten deutschen Bahnbetrieb auswirken.
Bahnstreik: Vorschlag zur Beilegung des Tarifkonflikts aus Hamburg-St. Pauli
Ein ungewöhnlicher Vorschlag, wie der Tarifkonflikt beigelegt werden könnte, kam am Montag aus Hamburg-St. Pauli. Deutsche Bahn und GDL mögen ihre Streitigkeiten im legendären Boxkeller der Ritze auf der Reeperbahn klären, heißt es in einem Aufruf von Michael Gremliza von der Event-Agentur Kiezjungs und Ritze-Gastronom Carsten Marek.
„Verhandelt in der Ritze. So wie es früher gang und gäbe war, bei einem kleinen Bier sich in die Augen schauen“, sagen die beiden in einer Videobotschaft, die über die sozialen Netzwerke verbreitet wurde. Weselsky und Bahn-Personalvorstand Martin Seiler seien „herzlich eingeladen, um endlich diese festgefahrene Situation aufzulösen“.
Doch der „bahnbrechende Vorschlag“, wie es in dem launigen Statement heißt, hat einen ernsten Hintergrund: Die gesamte Gastronomie- und Tourismusbranche sei gebeutelt genug von der Corona-Krise, „da ist einfach kein Verständnis mehr zu erwarten, für persönliche Animositäten zwischen den beiden wichtigsten Entscheidern in diesem Streik“. Der Appell deshalb: „Kommt zu Potte, wie wir auf der Reeperbahn sagen, wir wollen wieder Bahn fahren, und wenn es was Persönliches wird, könnt ihr das im legendären Boxkeller der Ritze klären.“
CDU-Chef Thering: „Geduld hat ihre Grenzen erreicht“
Auch die Geduld des Hamburger CDU-Fraktions- und Parteivorsitzenden Dennis Thering hat „definitiv ihre Grenzen erreicht“. Er sagte am Montag auf Abendblatt-Anfrage: „Der anhaltende Bahnstreik scheint jenseits jeglicher Vernunft zu eskalieren. Es ist äußerst frustrierend, dass eine kleine Gewerkschaft die große Mehrheit der Pendlerinnen und Pendler durch ihren Arbeitskampf belastet, obwohl bereits ein Angebot zur Schlichtung vorlag. Das ist kein Arbeitskampf gegen den Arbeitgeber, sondern gegen weite Teile der Bevölkerung.“ Anstatt die Streiks fortzusetzen, wäre es aus Therings Sicht im Interesse aller, wenn Bahn und Gewerkschaft unermüdlich verhandeln würden, bis eine zufriedenstellende Lösung gefunden sei.
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Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, hat „als Sozialdemokrat“ zwar „grundsätzlich großes Verständnis für Arbeitskampf und Tarifautonomie. Aber hier sind alle Verhandlungspartner gefordert, nun endlich zu einem tragfähigen Kompromiss zu kommen“, so Kienscherf. „Der Konflikt darf nicht weiter zu Lasten der Fahrgäste gehen, die unter den Streikmaßnahmen leiden müssen.“
Die Deutsche Bahn versucht, den Arbeitskampf noch gerichtlich stoppen zu lassen, bemüht sich aber trotz des kurzen Vorlaufs, im Fern- und Regionalverkehr wieder ein Grundangebot anzubieten. So sollen längere Fernzüge mit mehr Sitzplätzen eingesetzt werden. Die Bahn teilte mit, dass alle Fahrgäste, die bis einschließlich 10. März ein Ticket für eine Reise am 12. März gekauft haben und diese aufgrund des GDL-Streiks verschieben möchten, ihr Ticket zu einem späteren Zeitpunkt nutzen können. Die Zugbindung ist erneut aufgehoben. Das Ticket gilt dabei für die Fahrt zum ursprünglichen Zielort auch mit einer geänderten Streckenführung. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden.
Zudem hatten Fahrgäste im Fernverkehr im Rahmen einer Sonderkulanz auch die Möglichkeit, ihre Reise vorzuverlegen. Generell bat die DB die Reisenden vorweg, sich vor Fahrtantritt über ihre Verbindung zu informieren.