Berlin. Russische Medien fabulieren über Angriffe auf die Fehmarnsund-Brücke. Militärexperte Masala sagt, wie ernst die Lage wirklich ist.

Er zählt zu den bekanntesten Militärexperten in Deutschland: Carlo Masala. Der 55-Jährige lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um den Konflikt in der Ukraine.

Herr Masala, im russischen Fernsehen wird über die Zerstörung deutscher Brücken spekuliert. Wie bewerten Sie diese Äußerungen?

Carlo Masala: Das ist alles dumme, billige Propaganda. Da ist nichts Substanzielles dran. Warum sollte Russland deutsche Brücken zerstören – wo würde der Mehrwert für Russland liegen?

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    Nichtsdestotrotz wirft es die Frage auf, wie gefährdet die deutsche Infrastruktur ist.

    Ja. Wir haben ein Problem mit dem Schutz kritischer Infrastruktur. Dieser Schutz ist unzureichend, was unter anderem daran liegt, dass Teile unserer kritischen Infrastruktur einfach offen sind, wenn man das so sagen darf.

    Was genau meinen Sie?

    Erinnern Sie sich an das Wochenende im Oktober 2022, als der gesamte Bahnverkehr in Norddeutschland zum Erliegen kam?

    Unbekannte hatten damals wichtige Glasfaserkabel des internen Bahn-Mobilfunknetzes gekappt, über das unter anderem Lokführer und Leitstellen miteinander kommunizieren …

    Wo diese Kabel genau liegen, konnten die Täter im Internet abrufen. Auch die Nato-Agentur, die Pipelines zur Versorgung von Truppen im Verteidigungsfall betreibt, hatte die Pläne über den Verlauf dieser Pipelines lange im Netz liegen. Natürlich haben wir auch selbst so viel kritische Infrastruktur, dass wir sie nicht militärisch schützen können. Wir können nicht neben jede Brücke, die strategisch wichtig ist, Luftverteidigungssysteme stellen. Man muss es so deutlich sagen: Der Schutz kritischer Infrastruktur ist eine unserer verwundbaren Stellen.

    Brücken sind Bauinfrastruktur – wie sieht es in der Cyberinfrastruktur aus?

    Da ist es genau das Gleiche. Gerade im Cyber-Bereich können Sie natürlich Lücken schließen – aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis neue Lücken gefunden werden. Sie erreichen nie einen hundertprozentigen Schutz.

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    Ist der Schutz in Deutschland so hoch, wie er sein kann?

    Ich bin kein IT-Experte. Aber wir sehen, dass Cyberangriffe seit Wochen und Monaten wieder verstärkt zunehmen. Gegen deutsche Ziele wie Wirtschaftsunternehmen, aber auch gegen kommunale Behörden.

    In den Luftwaffen-Leaks ging es unter anderem um das Szenario, dass die Ukrainer die Kertsch-Brücke zur Krim sprengen könnten. Wie wäre eine Sprengung dieser Brücke durch die Ukraine völkerrechtlich zu bewerten?

    Das ist völkerrechtlich völlig legal und legitim. Bei dieser Brücke handelt es sich um ein illegales Bauwerk. Es führt zu einer Halbinsel, die illegal annektiert wurde. Die Krim ist ukrainisches Territorium. Die Ukraine hat jedes Recht, diese Brücke in Schutt und Asche zu legen.

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    Am Mittwoch gab es Berichte darüber, dass Selenskyj in Odessa relativ knapp einem russischen Anschlag entgangen sein soll. Wie dicht sind die Russen ihm gerade tatsächlich auf den Fersen?

    Hat es sich wirklich um einen Anschlag gehandelt? Ich bin da relativ zurückhaltend – die Nachricht, dass es sich um Anschlag auf den Autokonvoi des griechischen Premierministers Mitsotakis und Selenskyjs gehandelt haben soll, stammt nur von einer Quelle. Viele andere berichten von einem Raketeneinschlag in der Nähe. Dann stellt sich die Frage, ob es wirklich ein gezielter Anschlag war. Nach allem, was wir bisher wissen, haben die Russen bislang nicht versucht, den ukrainischen Präsidenten umzubringen. Ob sie jetzt ihre Strategie ändern, wissen wir natürlich nicht.

    Zu Kriegsbeginn war er sehr gefährdet …

    Damals wollten die Russen auch noch Kiew einnehmen. Wir sehen aber aktuell auch keine Anschläge auf den Präsidialpalast.

    In Deutschland wird aktuell über die Wehrpflicht diskutiert. Was halten Sie persönlich für das beste Modell, um mehr Personal fürs Militär zu gewinnen?

    Man muss den Bundeswehrdienst attraktiver machen und die Streitkräfte für andere Menschengruppen, die in Deutschland leben, öffnen. Damit meine ich Menschen ohne deutschen Pass. Wenn wir aber über eine Wehrpflicht diskutieren, halte ich das schwedische Modell für den gangbarsten Weg. Eine komplette Wiedereinführung der Wehrpflicht würde uns Milliarden kosten, weil wir gar nicht die Strukturen haben.

    Für wie realistisch halten Sie es, dass das Militär für die von Ihnen genannten Personen geöffnet wird?

    Das halte ich für unrealistisch. Im Moment konzentrieren wir uns auf das schwedische Modell. Ich gehe davon aus, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius versuchen wird, eine entsprechende Gesetzesvorlage in den Bundestag einzubringen.

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    Was würde es aus Ihrer Sicht bedeuten, das Militär attraktiver zu machen?

    Die Bundeswehr müsste mehr auf die Leute zugehen, um sie für den für den Dienst zu interessieren. Man müsste sich auch überlegen, wie man Dienstzeiten verändert, wie man Strukturen schafft, die stärker auf Personalbindung zielen. Es wären viele verschiedene Einzelmaßnahmen.

    Passt der Wehrdienst überhaupt noch zur Generation Z?

    Ob das passt? Das kann man so nicht sagen. Auch früher haben sich die meisten Menschen erst mit der Frage beschäftigt, ob sie Wehr- oder Zivildienst machen sollen, wenn sie den Musterungsbescheid bekommen haben. Ich kann jemandem, der keine Berührungspunkte mit der Bundeswehr hat, keinen Vorwurf machen, wenn er sich keine Gedanken darüber macht, ob er Wehrdienst leisten will. Das Ganze hat sich auch sehr verändert: Die Bundeswehr hat sich in ländliche Gebiete zurückgezogen. Die Werbung der Bundeswehr spricht meines Erachtens nur ohnehin schon bundeswehr-affine Menschen an. Wir müssen da hinkommen, dass die Leute sich einmal im Leben mit der Frage beschäftigen, ob sie sich die Arbeit bei den Streitkräften vorstellen können. Da würde es schon reichen, wenn man alle 18-Jährigen einmal anschreibt und ihnen ein Angebot macht – zum Beispiel eine Woche lang mal vorbeizukommen.