Der Mann lebte in einer Salafisten-Hochburg und soll in Syrien gekämpft haben. Innenminister de Maiziere: So viele Gefährder wie nie. Man können potenzielle Attentäter an Veränderungen ihrer Lebensgewohnheiten erkennen.
Dinslaken/Karlsruhe. Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei (SEK) in Nordrhein-Westfalen hat am Sonnabend einen 24-jährigen Mann wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft bei der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) festgenommen. Wie der Generalbundesanwalt mitteilte, wurde zudem die Wohnung des Beschuldigten in Dinslaken durchsucht. Hinweise auf mögliche konkrete Anschlagspläne oder -vorbereitungen des Beschuldigten gebe es jedoch nicht.
Dinslaken-Lohberg, wo der Zugriff nach Angaben des NRW-Innenministeriums erfolgte, gilt als Hochburg der radikalen Islamisten-Szene in Nordrhein-Westfalen. Lohberg ist eine ehemalige Bergarbeitersiedlung, die dortige Zeche wurde 2006 stillgelegt.
Der Beschuldigte sei „dringend verdächtig, sich der ausländischen terroristischen Vereinigung 'Islamischer Staat Irak und Großsyrien' angeschlossen zu haben“, erklärte der Generalbundesanwalt. Die Festnahme sei „aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs“ erfolgt. Nach Informationen der Zeitung „Bild am Sonntag“ aus Berlin erfolgte die Festnahme nach einem Hinweis der US-Geheimdienste auf mögliche Anschläge in Deutschland.
Der Verdächtige Nils D. soll laut Generalbundesanwalt im Oktober 2013 nach Syrien ausgereist sein, sich dort der Organisation „angeschlossen und zumindest bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland im November 2014 als Mitglied an dieser terroristischen Vereinigung beteiligt haben“. Ein Zusammenhang mit den jüngsten terroristischen Anschlägen in Frankreich bestehe nicht, hieß es weiter.
Der Beschuldigte werde am Sonntag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, wurde weiter mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf habe bereits zu Beginn des Jahres ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ gegen den Beschuldigten eingeleitet. Weitere Auskünfte wollte die Generalbundesanwaltschaft wegen der laufenden Ermittlungen nicht geben.
„Die Festnahme eines Syrien-Rückkehrers in Nordrhein-Westfalen beweist, dass die Sicherheitsbehörden wachsam sind und entschlossen handeln. Wir nehmen die Gefahr des islamistischen Terrors in Deutschland sehr ernst“, teilte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) nach der Festnahme mit. „Wir haben gefährliche Rückkehrer verstärkt im Blick.“
Etwa 150 Personen aus Nordrhein-Westfalen seien in die Krisenregionen Syrien und Irak gereist, teilte das Landeskriminalamt mit. Rund 30 von ihnen seien inzwischen wieder zurückgekehrt. Bei mehreren von ihnen müsse davon ausgegangen werden, dass sie in den Reihen der Terrormiliz Islamischer Staat gekämpft haben.
Bundesweit sind bislang mehr als 550 Islamisten aus Deutschland in das Kampfgebiet nach Syrien und in den Irak ausgereist. Die Zahl steigt seit langem kontinuierlich. Etwa 180 sind wieder zurückgekehrt. Nur von einem kleinen Teil davon – etwa 30 – ist bekannt, dass sie aktiv am bewaffneten Konflikt beteiligt waren.
Rund 60 Islamisten aus Deutschland sind laut Verfassungsschutz in Syrien und dem Irak gestorben. Mindestens 10 sprengten sich bei Selbstmordanschlägen in die Luft. Dies sind aber nur die bekannten Fälle.
Nach den Terroranschlägen in Frankreich hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Menschen in der Bundesrepublik zu mehr Aufmerksamkeit im Alltag aufgerufen. „Wir haben Radikalisierungsprozesse in Deutschland, bei denen sich Personen äußerlich und innerlich bis hin zu ihren Essgewohnheiten verändern“, sagte de Maizière der Zeitung „Bild am Sonntag“. Da sei die Wachsamkeit von Bürgern, Familien, Nachbarn, Sportfreunden oder Gläubigen in Moscheegemeinden wichtig und richtig.
Zugleich mahnte der Minister, nicht jeden zu verdächtigen, der mit einer Kapuze im Dunkeln herumlaufe. Das würde zu einem Klima des Misstrauens führen. „Allerdings haben wir so viele Gefährder wie nie zuvor. Wir gehen von ungefähr 260 Personen aus“, betonte de Maizière. „Von ihnen geht eine Gefahr für unsere Sicherheit aus. Ich habe große Sorge vor gut vorbereiteten Tätern wie in Paris, Brüssel, Australien oder Kanada. Das macht den Ernst der Lage aus.“
Der Bundesinnenminister sieht die deutschen Behörden aber vorbereitet: „Wir hindern jede Woche Menschen an der Ausreise in den Dschihad. Wir verhindern Wiedereinreisen oder nehmen Menschen dabei fest.“ In den vergangenen Wochen seien mehrere Hundert Ermittlungsverfahren wegen Beteiligung an terroristischen Aktivitäten eingeleitet worden.