Diskussion um Sicherheit nach dem Anschlag auf die Zeitung. Der Schock in der Redaktion sitzt tief. Hat der Brandanschlag auf die „Hamburger Morgenpost“ mit „Charlie Hebdo“ zu tun? Bombendrohung bei belgischer Zeitung.

Hamburg. Nach dem Brandanschlag auf das Gebäude der „Hamburger Morgenpost“ („Mopo“) hat sich auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in die Debatte eingeschaltet. Es sei klug, „erst Informationen zu bestätigen, wenn sie wirklich sicher sind“, sagte er am Sonntag am Rande einer Sonderkonferenz von EU-Innenministern in Paris. Daher wolle er über die Motivation und die Dimension der Vorgänge keine Auskünfte geben. „Der Vorfall zeigt allerdings, dass wir Grund zur Sorge haben und zur Wachsamkeit. Und bei beidem wird es bleiben.“

Die Redaktion produzierte am Sonntag eine Ausgabe für Montag. „Unsere Sicherheitsmaßnahmen haben wir in enger Absprache mit der Polizei verstärkt“, sagte Chefredakteur Frank Niggemeier am Sonntag in einem per Mail geführten Interview der Deutschen Presse-Agentur. Die Beschäftigten seien schockiert und besorgt.

„Ein solcher Anschlag lässt hier niemanden unberührt. Aber wir werden jetzt weder in Panik noch in Hysterie verfallen.“ Im Internet dankte die Redaktion für ihre „Rückendeckung“. Schon seit dem frühen Morgen hatte es in den Sozialen Netzen zahlreiche Solidariätsbekundungen gegeben, auch aus dem Ausland.

Die Täter warfen einen Molotow-Cocktail

Unbekannte hatten in der Nacht zum Sonntag nach Erkenntnissen der Polizei von einem Hinterhof aus mehrere Steine und mindestens einen Brandsatz in das Archiv der Boulvardzeitung im Stadtteil Ottensen geworfen. Da sich gegen kurz vor 2.30 Uhr keine Menschen in dem Haus aufhielten, wurde niemand verletzt. Akten und Zeitungsausgaben verbrannten aber.

Kurz nach dem Anschlag nahm die Polizei zwei 35 und 39 Jahre alte Männer in einer S-Bahn fest, die zuvor im Bahnhof Bahrenfeld – wenige Hundert Meter vom „Mopo“-Gebäude entfernt – vor Beamten davongelaufen waren. Ob sie mit der Brandstiftung im Zusammenhang stehen, untersuche der Staatsschutz, teilte die Polizei am Sonntagmittag mit. Sie bleiben vorerst in Polizeigewahrsam. Waren sie die Täter?

Die „Morgenpost“ hatte nach dem Terroranschlag in Paris Karikaturen des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ vom Propheten Mohammed nachgedruckt. Die Schlagzeile lautete; „So viel Freiheit muss sein!“ Es gebe derzeit keine Fakten darüber, dass der Anschlag damit in Verbindung stehe, sagte Polizeisprecherin Karina Sadowsky. „Es gibt noch keine Erkenntnisse, keine Bekennerschreiben oder andere Hinweise.“

„Es ist nicht auszuschließen, dass der Anschlag im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ereignisse in Frankreich steht“, sagte Polizeisprecher Mirko Streiber am Abend. Die Hamburger Polizei sucht jetzt nach Zeugen, die in der Nacht etwas beobachtet haben. Hinweise nimmt die Verbindungsstelle des Landeskriminalamtes unter Rufnummer 4286-56789 entgegen.

„Je suis aussi le Morgenpost“

Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann (beide SPD) stärkten bei einem Besuch der „Mopo“-Belegschaft den Rücken und informierten sich über die Lage. „Presse- und Meinungsfreiheit gehören zum Fundament, auf dem die Demokratie ruht. Jeder Angriff auf diese Freiheiten ist in seiner Wirkung und unabhängig von fragwürdigen Motiven ein Angriff auf die Demokratie“, erklärte Scholz, der den Beschäftigten die Unterstützung der Stadt zusicherte.

Zahlreiche Menschen – auch aus dem Ausland – sowie Hamburger Parteien und Medien bekundeten ihre Solidarität mit dem Blatt. Im Kurznachrichtendienst Twitter häufen sich Einträge aus Frankreich, Italien und anderen Ländern. „Je suis aussi le Morgenpost – Ich bin auch Morgenpost“, heißt es in einem Tweet.

Die Landespressekonferenz (LPK) bezeichnete die Tat als „feigen und hinterhältigen Terrorakt gegen die Pressefreiheit“. Die Kollegen der „Mopo“ könnten sich der Solidarität aller Journalisten in Hamburg sicher sein, erklärte der LPK-Vorsitzende Jürgen Heuer. „Die Medien werden sich nicht einschüchtern lassen.“

Bestürzung auch bei der EU-Kommission in Brüssel

Reporter ohne Grenzen“ verurteilte den Brandanschlag scharf. „Gewalt darf in Deutschland kein Mittel der Auseinandersetzung mit missliebigen Meinungen oder Veröffentlichungen werden“, sagte Geschäftsführer Christian Mihr. Pressefreiheit sei kein verhandelbares Grundrecht.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos sagte in Brüssel, dieser neue Angriff unterstreiche, dass umfassender Respekt für die Meinungs- und Pressefreiheit nötig ist. „Wir werden unsere Werte verteidigen.“

CDU-Landeschef Marcus Weinberg erklärte, wer die „Mopo“ angreife, greife die ganze Stadt Hamburg an. Sollte sich herausstellen, dass der Anschlag im Zusammenhang mit der Abbildung der „Charlie Hebdo“-Karikaturen stehe, „wäre dies eine neue Entwicklung der Gewalt in unserer Stadt“. CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich erklärte, Gewalt – auch gegen Sachen – dürfe kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. „Wir dürfen uns durch solche Taten weder einschüchtern noch aufhetzen lassen.“

Ähnlich äußerte sich Kersten Artus, medienpolitische Sprecherin der „Linken“. Die Fraktion stehe an der Seite der „Mopo“-Beschäftigen. Artus: „Lasst Euch nicht bei eurer Arbeit einschüchtern.“ Die Hamburger Grünen-Chefin Katharina Fegebank twitterte: „Was ist bloß mit der Welt los? Brandanschlag auf @mopo. Kann es nicht glauben. Bleibt stark!“

Demonstration in Hamburg am Montag um 18 Uhr

FDP-Chefin Katja Suding sagte, die Tat zeige: „Die Meinungs- und Pressefreiheit müssen wir gemeinsam gegen Extremisten, Terroristen und Wirrköpfe verteidigen, in Hamburg, Deutschland und der gesamten freien Welt.“ Dazu brauche es keine Gesetzesverschärfungen wie etwa die Vorratsdatenspeicherung, die trotz jahrelanger Geltung auch die schlimmen Attentate von Paris nicht verhindert habe. „Dazu bedarf es aber sehr wohl gut ausgestatteter Sicherheitskräfte.“ Von Bürgermeister Scholz forderte sie, die konkrete Stärkung des Staatsschutzes in der Hamburger Kriminalpolizei voranzutreiben.

Zahlreiche gesellschaftliche Institutionen haben für Montag um 18 Uhr auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz zu einer Solidaritätskundgebung für Freiheit und Demokratie aufgerufen.

Bombendrohung bei „Le Soir“

Unterdessen gab es auch einen Zwischenfall in Belgien: Wegen einer Bombendrohung sind die Redaktionsräume der Tageszeitung „Le Soir“ am Sonntagnachmittag geräumt worden. Ein Anrufer identifizierte sich nach Angaben des Blattes als ein in Belgien polizeibekannter Extremist. Er habe im Namen der „extremen Linken“ gefordert, die Berichterstattung über den blutigen Anschlag auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ einzustellen, weil diese rechtsextremen Strömungen Auftrieb verleihe.

„Es wird knallen in Ihrer Redaktion. Sie nehmen uns nicht ernst“, sagte der Anrufer „Le Soir“ zufolge. Das Blatt mit Sitz in der Hauptstadt Brüssel gehört zu den bekanntesten Zeitungen Belgiens. Das gesamte Gebäude wurde nach der Räumung von der Polizei durchsucht, die Straße davor gesperrt, wie die belgische Nachrichtenagentur Belga berichtete. Die Journalisten zogen in ein benachbartes Hotel, die Montagsausgabe sollte wie gewohnt erscheinen.