Immer noch wird nach der Lebensgefährtin eines der getöteten Geiselnehmer gesucht. Die Frau soll sich in der Türkei aufhalten. Die Sicherheitsvorkehrungen in Paris bleiben enorm. Am Sonntag wird dort auch Kanzlerin Merkel zu einer Kundgebung gegen Extremismus erwartet.
Hamburg. Die unter Hochdruck gesuchte Partnerin des von der Polizei erschossenen islamistischen Geiselnehmers Amedy Coulibaly ist offenbar in die Türkei gereist. Die 26-jährige Hayat Boumeddiene sei schon „seit einer gewissen Zeit“ in der Türkei, sagte ein Polizeivertreter am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Unterdessen hat eine mit der Angelegenheit vertraute Person gesagt, Hayat Boumeddiene sei über die Türkei nach Syrien gereist.
Boumeddiene war als mögliche Mittäterin bei zwei Verbrechen ihres Lebenspartners Coulibaly gesucht worden: den tödlichen Schüssen auf eine Polizistin in Montrouge südlich von Paris am Donnerstag und der tödlichen Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt am Freitag.
Zum Zeitpunkt der Taten habe sich Boumeddiene aber höchstwahrscheinlich bereits in der Türkei aufgehalten, sagte der Polizeivertreter. Die Ermittler versuchen nun herauszufinden, ob Boumeddiene von der Türkei aus nach Syrien weiterreiste.
Unterdessen geht nach der beispiellosen Terrorwelle der vergangenen Tage mit insgesamt 20 Toten in Frankreich die Angst vor weiteren Anschlägen um. Tausende Polizisten und Soldaten waren am Sonnabend auf den Straßen von Paris, bewachten Touristenorte sowie Gebetshäuser und fahndeten weiter nach einer mutmaßlichen Komplizin der am Freitag getöteten Geiselnehmer. Innenminister Bernard Cazeneuve rief nach einer Krisensitzung der Regierung seine Landsleute zu „äußerster Wachsamkeit“ auf.
Gleichzeitig versprach er, dass die Behörden alles tun würden, um bei einer geplanten Großkundgebung gegen Extremismus am Sonntag in Paris die Sicherheit der Teilnehmer zu garantieren. Zu der Demonstration werden auch der französische Präsident François Hollande und zwei Dutzend weitere Staats- und Regierungschefs erwartet, unter ihnen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premierminister David Cameron.
Bereits am Sonnabend gingen von Toulouse im Süden bis Rennes im Westen Hunderttausende auf die Straßen, um die Opfer des Terrors von Paris zu ehren.
Um die Sicherheit zu erhöhen, würden Hunderte weitere Soldaten auf die Straßen beordert, um die Tausenden Polizisten und Sicherheitskräfte zu unterstützen, die bereits im Einsatz seien, sagte Cazeneuve. Die höchste Terrorwarnstufe, die seit der Attacke auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ am Mittwoch im Großraum Paris gilt, werde beibehalten.
So wurden die Geiselnahmen beendet
Gleichzeitig gingen die Ermittlungen zu den Hintergründen des Angriffs auf „Charlie Hebdo“ am Mittwoch und den daraus resultierenden Geiselnahmen am Freitag weiter. Im Zentrum stand die Fahndung nach der 26-jährigen Hayat Boumeddiene, der Lebensgefährtin eines der drei am Freitag getöteten Terroristen, die sich in der Türkei aufhalten soll. Die Polizei erklärte, sie werde als gefährlich angesehen und sei möglicherweise bewaffnet.
Boumeddiene hatte 2009 in einer vom Staat Frankreich nicht anerkannten islamischen Zeremonie Amedy Coulibaly geheiratet, der am Donnerstag eine Polizistin erschoss und am Freitag in einem jüdischen Lebensmittelgeschäft im Osten von Paris Geiseln genommen und bei der Erstürmung des Ladens selbst getötet worden war. Auch vier seiner Geiseln starben.
Boumeddiene wurde nie wegen eines Verbrechens verurteilt. Wie aus ihrer Akte hervorgeht, die der Nachrichtenagentur AP vorlag, stand sie aber polizeibekannten Extremisten nahe. Einmal wurde sie selbst von der Polizei verhört, weil sie eine Attacke der Al-Qaida gelobt hatte. Damals sagte sie, dass auch die Amerikaner Unschuldige töteten und dass diese Menschen verteidigt werden müssten.
Im Moment versuchten die Ermittler festzustellen, ob die getöteten Angreifer Teil eines größeren extremistischen Netzwerks gewesen seien, sagte Cazeneuve. Boumeddiene etwa telefonierte rund 500 mal mit der Freundin eines der beiden Kouachi-Brüder, die für den Angriff auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ mit zwölf Toten verantwortlich gemacht wurden. Sie kamen nach einer Verfolgungsjagd und einer Geiselnahme am Freitag in einem Feuergefecht mit der Polizei ums Leben.
Fünf Personen sind im Zusammenhang mit der Untersuchung in Haft, gegen mehrere Familienmitglieder der Terroristen wird den Angaben zufolge ermittelt. Der Ableger der Terrororganisation Al-Qaida im Jemen erklärte, er habe den Angriff auf „Charlie Hebdo“ angeordnet. Ziel sei es gewesen, die Ehre des Propheten Mohammed wiederherzustellen, den das Blatt immer wieder karikiert hatte, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur AP.
Die Brüder Said und Chérif Kouachi waren den Anti-Terror-Behörden wohlbekannt. Chérif war bereits 2008 verurteilt worden, weil er sich Extremisten im Irak anschließen wollte. Sein Bruder Said kämpfte nach Angaben aus dem Jemen dort bis 2012 für die Al-Kaida. Beide standen auf der US-Flugverbotsliste.