Angst vor Größenwahn: Auf dem “Deutschen Wirtschaftsforum“ in Hamburg diskutierte ein erlesener Kreis über die Euro-Schuldenkrise.
Hamburg. Es ist ein erlesener Kreis, der sich am Freitag in der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis versammelt, dem berühmten "Michel“. Die Wochenzeitung "Die Zeit“ hat eingeladen zum Deutschen Wirtschaftsforum. Dass es schon Tage vorher eine rege Diskussion darüber gegeben hatte, ob ein Wirtschaftskongress an diesem sakralen Ort überhaupt stattfinden dürfe, schreckte die Veranstalter keinesfalls davon ab, dort die dritte Konferenz in Folge auszurichten.
Im Kirchengestühl haben etwa zweihundert zumeist gesetzte Herren in dunklen Anzügen Platz genommen. Sie haben zwischen 1.100 und 1.300 Euro dafür gezahlt, um in der Kirche den Worten von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zu lauschen, wenn diese harsch mit den politisch Verantwortlichen in der Euro-Krise ins Gericht gehen.
Ackermann spricht etwa eine halbe Stunde zur „Zukunft Europas und der Rolle der Banken“ – und nimmt die Institute in Schutz. Es sei die Politik, die ihre Staatsverschuldung in den Griff bekommen müsse. Die Schuldigen an der Krise sind für ihn die Staaten. Die sollen schließlich handlungsfähig sein. Doch die Staaten seien verschuldet und damit im Würgegriff der Märkte.
Auch am europäischen Krisenmanagement lässt der Bank-Chef kaum ein gutes Haar. Zu zögerlich, zu unentschlossen, zu uneinheitlich. Die Politik habe die Angst vor einem Schuldenschnitt oder gar einer Währungsreform aufkommen lassen.
Angst vor deutschem Größenwahn
Höflicher Applaus, gefolgt von andächtiger Stille erfüllt den Raum, als Helmut Schmidt im Rollstuhl auf die Bühne geschoben wird, wo „Zeit“-Mitherausgeber Josef Joffe bereits auf ihn wartet. Dass die Bühne direkt unter der reich verzierten Kanzel des „Michel“ aufgebaut ist, passt zu den deutlichen und pointierten Worten des Altkanzlers. In den nächsten 30 Minuten teilt er in alle Richtungen aus.
Managerforum zahlt 12.500 Euro Miete im Michel
Ackermann plädiert für europäische Integration
Vor allem aber wendet er sich gegen die wachsende Euroskepsis und das aus seiner Sicht großspurige Auftreten Deutschlands und Frankreichs in der Euro-Schuldenkrise – und damit auch gegen das Krisenmanagement von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. „Weder Merkel, noch Sarkozy haben große Fortschritte beim Erlernen von Taktgefühl gegenüber ihren europäischen Partnern gemacht“, sagt Schmidt und erntet damit amüsiertes Gelächter und verhaltenen Applaus aus dem Publikum.
Es ist immer auch ein bisschen Geschichtsstunde, wenn Schmidt erzählt und rät. Der 1918 geborene Altkanzler erinnert dann an die Weltwirtschaftskrise und die gescheiterte Politik der Weimarer Republik. Aber auch vom deutschen Hang zur Großmannssucht spricht Schmidt. Betreten schauen einige Zuhörer, als der Altkanzler sagt: „Der Wahn der Deutschen, sich aufzuspielen, macht mir wirklich Sorgen.“
Welchen Preis kostet mehr Europa?
Alle Redner sprechen von Europa. Von engerer Verzahnung und mehr Kontrolle. Davon, dass sich der Euro und die Gemeinschaft nur mit mehr statt weniger Europa retten lassen. Aber die Frage, wie viel Souveränität ein Land wie Deutschland tatsächlich abzugeben bereit ist – diese Frage bleibt unbeantwortet.