Trostlose Beliebigkeit
Endlich einmal eine klare Meinung, endlich auch mal der Mut, sich öffentlich zu scheinbar überkommenen Werten zu bekennen, mag an ihnen noch so oft und in gutem Glauben an die erlaubte Beliebigkeit gerüttelt werden. Dazu gehört die Würdigung von Kirchen oder Gotteshäusern als besondere Gebäude, die nicht zu "coolen locations" denaturiert werden dürfen, mögen sie für PR-Berater noch so genial dafür geeignet sein - geeignet vielleicht, aber eben nicht geschaffen. Das hat Dirk Reimers in seinem Artikel unübertrefflich zum Ausdruck gebracht. Das offensichtliche "Jawort", das die Kirche für dieses Event übrig hatte, passt zum schwankenden Bild, das sie in der Öffentlichkeit abgibt. Dass aber auch Hauptpastor Röder mit im Bunde ist, verwundert. Der Michel als "bebeteter, befeierter Raum", der über eine "unglaubliche Kraft" verfügt, ist doch ein Wort von ihm. Diese "unglaubliche Kraft" in dem "befeierten Raum" jetzt für teures Geld an die Wirtschaftsexperten zu vermieten, das ist trostlos.
Knut Teske
Das geht zu weit
Klar auf den Punkt, hervorragende Argumentation, und die Wertung kontra Wirtschaftsforum im Michel trifft meine Überzeugung. Stelle mich der Arbeit der Kirchen konstruktiv-kritisch an die Seite, helfe materiell und ideell. Diese Dimension des Kommerzes geht zu weit (was keineswegs gegen die hervorragende Institution des Wirtschaftsforums spricht). Die Glaubwürdigkeit der Kirche als angeschlagene Institution und als Raum der Besinnung bleibt auf der Strecke.
Erhard C. Stadelhofer
Tief empört
Ich bin tief empört über den Missbrauch des Michel. Nicht einverstanden bin ich damit, dass Herr Reimers nur von den Käufern spricht und nicht von den Verkäufern, denn die gehören zu jedem Geschäft dazu (außer in der Bemerkung, dass die Nordelbische Kirche Geld brauche). Aber die Verantwortlichen für dieses Sakrileg werden nicht genannt - und verantwortlich dafür ist letztendlich Hauptpastor Alexander Röder, ohne den eine solche Fehlentscheidung nicht hätte getroffen werden können. Und das sollte auch klar benannt werden.
Gudrun Stiegler
Jedes Mittel recht
Heute ist wohl jedes Mittel recht, um zu Geld zu kommen. Man bedauert die Kirchenaustritte, vertreibt aber durch derartige Vorgehensweise die letzten Mitglieder, die sich intensiv mit Glauben und Kirche auseinandersetzen. Die Kirche bedarf dringend einer neuen Reformation.
Uwe Heldewig
Das ist Missbrauch
Der Michel wird nicht nur immer mehr durch Bauten verdeckt, er wird missbraucht, indem dort zu sehr das Irdische als das Geistliche gepredigt wird. Die von Hauptpastor Röder beschworene unglaubliche Kraft, die durch viel Kultus zur Kultur für die Menschen hier wurde, schwindet zum Kaufhaus dahin. Einen Fehler macht Herr Reimers allerdings. Wenn er sagt, dass Bankenkongresse im Petersdom nicht zu erwarten seien - ebenso wenig wie in Synagogen und Moscheen, dann verkennt er, dass Moscheen nicht nur als Stätten des Gebets, sondern auch als Orte von politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten genutzt werden. "Mein Reich ist nicht von dieser Welt", sagte Jesus Christus. Und das ist der wesentliche Unterschied, da der Islam die Trennung von Staat und Religion nicht kennt.
Jutta Starke
Ein Skandal und Fauxpas
Ein Wirtschaftsforum in der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis! Die sattsam bekannten Litaneien notorischer Heilsverkünder à la Ackermann, Obermann, Rösler und sonstiger Laienbrüder der relevanten Gruppen in einer Kirche, zumal in dieser, zu zelebrieren, ist in der Tat ein Skandal und Fauxpas zugleich. Man kann Dirk Reimers in allem, was er dazu schreibt, nur zustimmen ... Der Kirche ist es mittlerweile offenbar gleichgültig, was in ihren Hallen zur Aufführung gelangt. Wer dieser Institution nicht bisher schon den Rücken gekehrt hatte, sollte mindestens jetzt nachdenklich werden.
Herbert Flohr
Wenn schon, denn schon
Wer ist Hausherr im Michel? Meines Erachtens nach der Vorstand der Gemeinde, der Kirchenvorstand. Kann dieser gezwungen werden zu so einer Veranstaltung? Oder war es dessen Entscheidung, nach dem Motto: "O ja, das bringt was, das machen wir"? Wie wäre es dann auch mit der Erhebung eines Eintrittsgeldes, wann immer man den Michel aufsuchen möchte?
Doris Lister
Völlig unnötig
Ein Gotteshaus ist ein Ort der Stille und Einkehr. Diese Stadt hat genug Plätze für jede Art von Event. Wir wundern uns auch über "Die Zeit", die Gräfin hätte das niemals zugelassen. Was sagt denn eigentlich die neue Bischöfin Frau Fehrs dazu, dass der Michel nun eine coole Location für Wirtschaftstreffen geworden ist?
Ulla und Peter-Hannes Lehmann
Auf dem Weg in den Abgrund
Ich hätte mir als Politiker eine solche Ratlosigkeit nicht träumen lassen. Eine Finanzkrise jagt die nächste, seitdem Schröder, Fischer & Co. den Geist aus der Flasche ließen und die Finanzmärkte deregulierten. Nun tanzt die Politik am Gängelband der "Märkte", und wir erleben den Angriff auf die Demokratie mit einer zweifelhaften Reduktion auf Formalbeschlüsse in kleinsten Zirkel. Und in dieses Szenario passt, dass sich die Kirche nun auch dienend in die Finanzwelt einbringt. Schritt für Schritt kommt man sich näher, auf dem Weg in den Abgrund.
Peter Schmidt
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