Wer hat in der Union das Format für eine Kanzlerkandidatur? Kommentatoren sprechen bei der Arbeitsministerin von „Merkels Mädchen“.
Berlin. Sie war Familienministerin, wollte Gesundheitsministerin werden. Das klappte nicht, denn die FDP griff sich nach der Bundestagswahl 2009 das wichtige Ressort. Dann wurde sie Arbeits- und Sozialministerin – ein immens wichtiger Job mit dem größten Etat im Bundeshaushalt. Doch eigentlich wäre Ursula von der Leyen (CDU) im vergangenen Jahr gerne Bundespräsidentin geworden , als Horst Köhler aufgab. Deutschlands oberster Repräsentant wurde dann Christian Wulff, Ministerpräsident aus Niedersachen und Weggefährte von der Leyens, die ebenfalls aus Hannover nach Berlin kam. Beim beruflichen Fortkommen stand von der Leyen eine Frau im Weg: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und nun scheint es, als schiele von der Leyen inmitten der Euro-Krise und der auch internen Kritik an Merkels Amtführung nach dem Platz im Bundeskanzleramt.
Das zumindest behauptet SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, ebenfalls Niedersachse. Keine Frage: Er streut genüsslich ein Gerücht. Doch auch in Berliner Kreisen wird darüber spekuliert, wer eigentlich – sollte Kanzlerin Merkel noch stärker intern unter Druck geraten – ihr nachfolgen könnte.
Gabriel vermutet nun hinter den jüngsten Vorschlägen von der Leyens in der Euro-Schuldenkrise , dass sie sich für eine Kanzlerkandidatur warmläuft. „Dass eine Ministerin und stellvertretende CDU-Vorsitzende in diesem Maße illoyal agiert und die Autorität der Kanzlerin in Frage stellt, zeigt, unter welchen Auflösungserscheinungen die Regierung zu leiden hat“, sagte Gabriel der „Braunschweiger Zeitung“.
Mit Blick auf Spekulationen, von der Leyen bringe sich als Nachfolgerin Angela Merkels ins Gespräch, fügte er hinzu: „Frau von der Leyen möchte das wohl gerne. Ich nehme nicht an, dass das in der Koalition auf große Begeisterung stößt.“
Von der Leyen hatte die Hinterlegung von Goldreserven zur Absicherung der Kredite für Euro-Schuldenländer vorgeschlagen. Zudem regte sie an, eine möglichste enge EU-Kooperation in den „Vereinigten Staaten von Europa“ anzustreben. Beide Ideen wurden in der Unionsfraktion noch schneller verworfen, als man schauen konnte
Die liberale Zeitung „Der Standard“ aus Wien schrieb dazu: „Man kann es durchaus als Ironie der Geschichte sehen, dass sich nun wieder ein ,Mädchen’ in Stellung bringt, weil es offenbar noch mehr vorhat. Natürlich ist es noch keine ausgemachte Sache, dass die zielstrebige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen demnächst ins Berliner Kanzleramt einziehen wird. Aber die Akzente, die ,Merkels Mädchen’ nun ganz gezielt setzt, lassen aufhorchen. Die deutsche Kanzlerin schwächelt enorm… Sie hat von der Leyen aufgebaut und muss nun feststellen: Das einstige ,Mädchen’ ist die Einzige, die das Format hätte, um Merkel im Falle eines Scheiterns zu beerben.“ (abendblatt.de/ryb)