Der Arbeitgeberpräsident spricht über die Euro-Krise und Konjunkturaussichten. Der Euro selbst habe kein Problem, nur einige Länder.
Berlin. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, 72, beschreibt sich gerne als unverbesserlichen Optimisten. Seine Wachstumsprognose von mindestens drei Prozent gründet allerdings auf Berechnungen seiner Ökonomen. Sorgen bereiten ihm die Pläne der Bundesregierung, mitten in der Schuldenkrise die Steuern zu senken. Das Abendblatt erreichte den Arbeitgeberpräsidenten im Urlaub am Telefon.
Hamburger Abendblatt:Herr Hundt, wie jeden Sommer machen Sie Urlaub in Österreich. Können Sie sich vorstellen, Ihren Grünen Veltliner oder Ihren Kaiserschmarrn bald wieder in Schilling zu bezahlen?
Dieter Hundt: Überhaupt nicht. Wir müssen alle verkraftbaren Anstrengungen unternehmen, um den Euro zu stärken. Der Euro hat sich in seinem ersten Jahrzehnt hervorragend bewährt. Wir haben eine harte Währung, von der vor allem auch die deutsche Wirtschaft profitiert.
Sind die Sorgen um den Euro übertrieben?
Hundt: Wir haben kein Euro-Problem, sondern ein dramatisches Überschuldungsproblem vieler Euro-Staaten. Hier muss der Hebel angesetzt werden.
Ist die Zementierung einer Transferunion, die Deutschland zum Zahlmeister macht, noch abzuwenden?
Hundt: Eine Transferunion darf es nicht geben. Wir dürfen auf gar keinen Fall akzeptieren, dass ordentlich wirtschaftende Länder wie Deutschland die Schulden der nachlässigen Länder bezahlen müssen.
Gemeinsame Staatsanleihen - sogenannte Euro-Bonds - werden selbst in der schwarz-gelben Regierungskoalition nicht mehr ausgeschlossen ...
Hundt:Unter den derzeitigen Bedingungen lehne ich Euro-Bonds ab. Das ist nur ein Anreiz für schwächere Länder, sich weiter zu verschulden - auf Kosten der stärkeren Länder.
Merkel und Sarkozy haben eine europäische Wirtschaftsregierung vorgeschlagen. Können so die Märkte beruhigt werden?
Hundt:Ich halte eine weitergehende Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euro-Länder für zwingend erforderlich. Es müssen eindeutige Defizitgrenzen für alle Länder vereinbart werden. Europa muss streng über die Einhaltung wachen - und automatische Sanktionen gegen Schuldensünder verhängen. Was Merkel und Sarkozy besprochen haben, geht in die richtige Richtung.
Eine Schuldenbremse für alle Euro-Staaten wird kaum durchzusetzen sein ...
Hundt:Eine Schuldenbremse für die gesamte Euro-Zone ist eine unausweichliche Konsequenz aus der gegenwärtigen Krise. Nur damit kann der Euro stabil gehalten werden.
Würde eine Verkleinerung der Währungsunion helfen?
Hundt:Ich halte solche Überlegungen für unzulässig. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, den Euro in seiner jetzigen Verbreitung zu halten. Einzelne Länder aus der Währungsunion auszuschließen ist nicht die Lösung.
Die schwarz-gelbe Regierungskoalition macht sich daran, die Einkommenssteuer zu senken. Der richtige Schritt zur richtigen Zeit?
Hundt:Der Schuldenabbau muss eindeutig Priorität haben. Ich sehe keinen Spielraum für größere Steuersenkungen vor der nächsten Bundestagswahl. Es wäre unsinnig, jetzt Flickschusterei zu betreiben. Mini-Entlastungen helfen niemandem. Was wir brauchen, ist eine große Steuerreform - zu einem späteren Zeitpunkt. Wir müssen unser Steuersystem transparenter und einfacher gestalten.
Die Pflegereform wird voraussichtlich zu steigenden Beiträgen führen. Ohne Steuersenkungen haben die Bürger weniger in der Tasche ...
Hundt:Ich warne vor Beitragserhöhungen in der Pflegeversicherung. Wenn sich die Leistungen verändern, müssen sie anderweitig finanziert werden. Eine Pflegereform muss mindestens zu einer teilweisen Abkopplung der Versicherung vom Arbeitsverhältnis führen. Ohne eine ergänzende kapitalgedeckte Vorsorge wird dies nicht gehen. Ich warne die Regierung davor, eine Milchmädchenrechnung anzustellen.
Nämlich welche?
Hundt:Wir haben Beitragssenkungen in der Rentenversicherung zu erwarten, weil die gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagen erreicht sind. Die Politik darf diese Entlastung nicht als Kompensation für höhere Pflegebeiträge verkaufen. Auf Dauer werden die Rentenbeiträge wegen der demografischen Entwicklung steigen.
Steuerentlastungen verlangt vor allem die FDP - jene Partei, die der Wirtschaft immer am nächsten stand. Wie groß ist Ihre Enttäuschung über die Liberalen?
Hundt:Schwarz-Gelb war die Wunschkonstellation der Wirtschaft. Viele Erwartungen sind bisher leider nicht erfüllt worden. Die Regierungskoalition bleibt deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück, vor allem vor dem Hintergrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung.
Welche Rolle müsste die FDP jetzt einnehmen?
Hundt:Ich erwarte, dass die FDP dringend notwendige Entscheidungen mitträgt. Sie sollte zum Beispiel ihren Widerstand gegen eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit aufgeben, die wir zum Erhalt der Tarifautonomie brauchen. Ein anderes Feld ist die Energiepolitik. Die Politik hat überstürzt und ohne die Konsequenzen zu bedenken den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Es wird schwierig sein, die Energieversorgung in Deutschland sicher und bezahlbar zu halten. Von CDU, CSU und FDP erwarte ich, dass sie sich als Regierungspartner verhalten und zu mehr Einigkeit und Geschlossenheit finden.
FDP-Chef Philipp Rösler ist 100 Tage im Amt. War es ein gelungener Start?
Hundt:Die Strecke bis zum Ende der Legislaturperiode ist noch lang. Ich will nach den ersten 100 Metern noch kein Urteil abgeben.
Herr Hundt, die Konjunktur lahmt. Ist das Wirtschaftswunder schon zu Ende?
Hundt:Ich bin unverändert optimistisch. Unsere Konjunkturdaten zeigen, dass wichtige Wirtschaftszweige - die Automobil- und Zulieferindustrie, der Maschinenbau und die chemische Industrie - stark bleiben. Das schwache zweite Quartal ist auch im Lichte des unerwartet guten ersten Quartals zu bewerten. Ich gehe davon aus, dass wir für das Gesamtjahr ein Wachstum von mehr als drei Prozent verzeichnen werden.
Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt?
Hundt:Es gibt keinen Anlass, die sehr positiven Prognosen infrage zu stellen. Wir werden in diesem Jahr deutlich unter drei Millionen bleiben. Für das kommende Jahr halte ich es sogar für denkbar, dass die Arbeitslosenzahl vorübergehend auf 2,6 Millionen sinkt, wenn die Konjunktur stabil bleibt.