Ausgedient nach 55 Jahren: Jetzt kommt auch ein neuer Zivildienst. Der Bundesrat regelt außerdem Zwangsheirat und Steuerhinterziehung neu.
Berlin. Das Ende der Wehrpflicht kommt nun offiziell, der Freiwilligendienst wird parallel eingeführt – und Steuerhinterziehung wird künftig erschwert: Der Bundesrat hat am Freitag den Weg für Gesetze freigemacht, die zwischen den Parteien unstrittig waren. Beim Thema Atomkraft schieden sich die Geister dann wieder. Sechs SPD-regierte Länder wollen so schnell wie möglich aus der Atomkraft aussteigen und nicht – wie die Bundesregierung – die Ergebnisse der Prüfungen während des dreimonatigen Moratoriums abwarten.
Das sind die wichtigsten Beschlüsse des Bundesrates im Einzelnen:
Bundeswehr: Nach gut 55 Jahren hat die Wehrpflicht vorerst ausgedient. Der Pflichtdienst wird zum 1. Juli 2011 ausgesetzt. Die Neuregelung ist Teil der Streitkräftereform, wonach die Bundeswehr von derzeit gut 250.000 Soldaten auf maximal 185.000 schrumpfen soll. Künftig sollen bis zu 15.000 Freiwillige während eines Wehrdienstes zwischen sechs und 23 Monaten rund 170.000 Zeit- und Berufssoldaten unterstützen.
Freiwilligendienst: Er ersetzt ebenfalls vom 1. Juli an den bisherigen Zivildienst. Künftig sollen jährlich 35.000 Stellen in sozialen und ökologischen Einrichtungen, in Kulturstätten sowie beim Katastrophenschutz oder in den Bereichen Integration und Sport gefördert werden. Der freiwillige Dienst soll mindestens sechs und höchstens 18 Monate dauern, in Ausnahmefällen 24 Monate. Die Freiwilligen bekommen Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung gestellt.
Zwangsheirat: Wer jemanden zur Zwangsheirat nötigt, wird künftig mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Dies wird als neuer Tatbestand im Strafgesetzbuch verankert. Neu ist auch das Recht zur Wiederkehr für Frauen, die nach zwangsweiser Verheiratung verschleppt wurden. Zudem werden „Scheinehen“ stärker bekämpft, die von Ausländern nur geschlossen werden, um in Deutschland leben zu können. Künftig gibt es ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erst nach drei und nicht wie bisher nach zwei Jahren, wenn die Ehe scheitert.
Schwarzgeld: Wer mehr als 50.000 Euro hinterzogen hat, geht bei einer Selbstanzeige nur noch dann straffrei aus, wenn er einen Zuschlag von fünf Prozent auf die hinterzogene Summe bezahlt. Abgeschafft wird die bisherige Möglichkeit zur „Teil-Selbstanzeige“. Strafbefreiung gibt es nur noch bei vollständiger Offenlegung aller noch nicht verjährten Steuerstraftaten. Die Selbstanzeige ist auch nur noch bis zu dem Zeitpunkt möglich, ab dem die Entdeckung droht.
Leiharbeit: Künftig ist es nicht mehr erlaubt, entlassene oder nicht mehr beschäftigte Arbeitnehmer zu schlechteren Bedingungen in ihrem Unternehmen oder im selben Konzern als Zeitarbeiter einzusetzen. Künftig sind solche Leiharbeiter wie die Stammbeschäftigten zu entlohnen. Auch treten die Verabredungen aus dem Vermittlungsverfahren zur Hartz-IV-Reform über die Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit in Kraft.
Atomkraft: Sechs SPD-geführte Länder forderten den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomkraft. Sie verlangten die Rückkehr zum Atomkonsens des Jahres 2000. Zudem sollen die acht derzeit abgeschalteten Atommeiler nicht mehr ans Netz. Für die Reaktoren, die weiter genutzt werden sollen, müssten die Sicherheitskonzepte auf den Stand der Technik gebracht werden.
Holocaust-Überlebende: Die Bundesregierung soll jüdische Holocaust-Überlebende aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion als Verfolgte des NS-Regimes anerkennen, damit die Betroffenen eine Rente bekommen. Darüber hinaus soll wieder die Möglichkeit geschaffen werden, dass Aufträge zur Vermittlung schwerbehinderter Menschen an Integrationsfachdienste freihändig vergeben werden können und nicht ausgeschrieben werden müssen.
Abschied: Der scheidende Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), verabschiedete sich im Bundesrat. Der 75-Jährige wurde als engagierter und versierter Verfechter der föderalen Belange gewürdigt. Aus Altersgründen war er bei der Landtagswahl nicht mehr angetreten. In der kommenden Woche wird Böhmers Nachfolger Reiner Haseloff (ebenfalls CDU) zum Ministerpräsidenten gewählt. (dapd)