Institutionen lehnen die Reform des Zivildienst ab oder fordern Nachbesserungen. Um den 1. Mai soll das Gesetz in Kraft treten
Berlin/Hamburg. Neben der Aussetzung der Wehrpflicht arbeitet die Bundesregierung momentan an einer zweiten gesellschaftlichen Großreform. Der geplante Bundesfreiwilligendienst, der ab 1. Juli den Zivildienst ersetzen soll, stößt jedoch auf immer größeren Widerstand bei Verbänden und sozialen Trägern. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnt den Freiwilligendienst ab, das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) verlangt Nachbesserungen am geplanten Gesetz. Der Paritätische Gesamtverband fordert die Regierung auf, endlich Werbung für den Freiwilligendienst zu machen. Und das Familienministerium dämpft die Erwartungen: Die geplanten 35 000 Freiwilligen werde man zum 1. Juli noch nicht erreichen. Derzeit gibt es in Deutschland jährlich rund 90 000 Zivildienstleistende.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte im Abendblatt einen Kurswechsel. "Wir lehnen den von der Koalition geplanten Bundesfreiwilligendienst ab", sagte Buntenbach. "Wir haben die große Sorge, dass wie schon bei den Ein-Euro-Jobs reguläre Arbeitsplätze durch Taschengeld-Jobs ersetzt werden. Das darf nicht sein", begründete sie die Ablehnung des DGB.
Buntenbach betonte: "Wir brauchen andere Wege, um den Wegfall des Zivildienstes abzufangen." Deutschland müsse das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) stärken. Der Freiwilligendienst dürfe nicht zum Konkurrenzprojekt werden. "Das verbaut Jugendlichen die Chance, sich durch das FSJ für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren." Auch die Kirchen als große Zivildienst-Träger sind verunsicherter, als ihnen lieb ist.
Das Diakonische Werk kündigte an, ab der Einführung des Freiwilligendienstes etwa 7000 Stellen bundesweit anbieten zu wollen. Aufgrund der fehlenden Strukturen für den Bundesfreiwilligendienst bestehe derzeit auch keine Planungssicherheit, monierte Diakonie-Präsident Johannes Stockmeier gegenüber dem Abendblatt. Stockmeier betonte zwar, dass die Diakonie den Wechsel von der staatlichen Dienstpflicht hin zu den Freiwilligendiensten begrüße, äußerte jedoch auch deutliche Bedenken. Der Wegfall des Zivildienstes könne durch den Bundesfreiwilligendienst nur teilweise kompensiert werden, so Stockmeier. Auch die bisherige Umsetzung der Reform wird von der Diakonie kritisiert. "Der Gesetzentwurf zur Einführung des Bundesfreiwilligendienstes ist nach wie vor verbesserungswürdig", sagte Stockmeier. Richtig und wichtig sei aber die Absicht der Bundesregierung, die Freiwilligendienste zu stärken und mit einem großen Teil der bisher für den Zivildienst aufgewendeten Haushaltsmittel finanziell abzusichern.
Auch die Caritas bereitet sich auf einen Umbruch ab dem 1. Juli vor. Den bislang etwa 10 000 Zivildienstleistenden werden künftig rund 3500 Freiwillige nach Einführung des Freiwilligendienstes gegenüberstehen, kündigte der Leiter der Arbeitsstelle Zivildienst/Freiwilligendienste bei der Caritas, Michael Bergmann, an. Auch Bergmann sprach von "gewissen Unsicherheiten", die wegen des noch nicht abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahrens naturgemäß vorhanden seien.
Zuständig für die Beseitigung von Unsicherheiten ist vor allem der Bundesbeauftragte für den Zivildienst beim Familienministerium, Jens Kreuter. Er rechnet fest damit, dass das Gesetz rechtzeitig kommen wird und die bisherigen Zivildienst-Träger früh genug planen können. Er gehe davon aus, dass das Gesetz zum Bundesfreiwilligendienst im Bundestag am 24. oder 25. März in zweiter und dritter Lesung beraten und verabschiedet werde, sagte Kreuter dem Abendblatt. Am 15. April werde sich der Bundesrat damit befassen, das Gesetz sei jedoch nicht zustimmungspflichtig. "Wenn der Bundespräsident das Gesetz anschließend unterschreibt, müsste es um den 1. Mai im Bundesgesetzblatt stehen", sagte Kreuter weiter. Er räumte ein: "Eine rechtliche, verbindliche Zusage kann es für die Freiwilligendienst-Stellen natürlich erst geben, wenn das Gesetz in Kraft ist."
Dennoch hält das Familienministerium an seinem Plan fest, 35 000 Freiwillige pro Jahr zu gewinnen. "Das ist ehrgeizig, aber machbar, wenn die Angaben der Träger über die bisherigen Bewerberzahlen stimmen", so Kreuter. Hinzu kämen etwa genauso viele Plätze für das Freiwillige Soziale Jahr oder das Freiwillige Ökologische Jahr. Gleichzeitig geht das Ministerium von einem eher langsamen Aufbau des Dienstes aus. "Die 35 000 für den Bundesfreiwilligendienst werden wir nicht unbedingt gleich zum 1. Juli erreichen", so Kreuter. Realistischer seien viele Dienstantritte im September, "weil die jungen Menschen nach dem Schulabschluss erst einmal Urlaub machen wollen".
Der Paritätische Gesamtverband, unter dessen Dach zuletzt 11 000 Zivildienstleistende tätig waren, fordert von der Bundesregierung deutlich mehr Werbemaßnahmen für den Freiwilligendienst. "Wenn wir gerade junge Männer verstärkt für einen freiwilligen Einsatz gewinnen wollen, müssen wir kräftig die Werbetrommel rühren", sagte der Vorsitzende Eberhard Jüttner dem Abendblatt. "Unsere Landesverbände und Mitgliedsorganisationen sind aktuell mit viel Engagement dabei, vor Ort in den Einsatzstellen und in Schulen für die Freiwilligendienste zu werben. Für große Kampagnen fehlt uns im Vergleich zum Bundesverteidigungsministerium jedoch das Geld", machte er deutlich. "Hier setzen wir auf die Bundesregierung, die so schnell wie möglich eine Imagekampagne auf den Weg bringen muss, um FSJ und Bundesfreiwilligendienst bekannter zu machen", sagte Jüttner.