Die Arabische Liga fordert vom UN-Sicherheitsrat die Einrichtung einer Flugverbotszone für Libyen. EU und Nato sind sich weiter uneins.
Hamburg. Angesichts militärischer Erfolge der regimetreuen libyschen Streitkräfte gegen die Aufständischen im Osten des Landes werden die Rufe nach einer Flugverbotszone über Libyen immer lauter.
Die Arabische Liga sprach sich am Wochenende für die Einrichtung einer solchen Zone aus, wie ihr ägyptischer Generalsekretär Amr Mussa erklärte. "Wir werden den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über unsere Bitte, eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten, informieren", sagte Mussa bei dem Krisentreffen der Liga in Kairo. Mit dieser Zone soll verhindert werden, dass die Luftwaffe des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi Angriffe auf rebellische Zivilisten fliegt. Mussa sagte, Gaddafi habe seine Rechtmäßigkeit als Machthaber eingebüßt, nachdem er Kapitalverbrechen an seinem Volk begangen habe.
Doch auf internationaler Ebene herrscht weiterhin Uneinigkeit bezüglich der Schaffung einer solchen Zone. Krisentreffen von Europäischer Union und Nato brachten keine eindeutigen Ergebnisse. Vor allem die EU ist tief gespalten, während unter anderem Frankreich und Großbritannien die Zone fordern - Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat sogar "defensive Luftangriffe" auf militärische Einrichtungen des libyschen Regimes vorgeschlagen - Deutschland und einige andere europäische Staaten sind dagegen. Sie fürchten eine Verwicklung in einen eskalierenden Konflikt in Nordafrika. Die EU konnte sich zunächst nur darauf einigen, erst einmal keine militärischen Maßnahmen gegen das Regime in Tripolis zu ergreifen. Sie hat zudem einen gemeinsamen Krisengipfel mit der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union vorgeschlagen.
Im Uno-Sicherheitsrat könnten die Veto-Mächte Russland und China militärische Maßnahmen gegen Libyen blockieren. Für die Einrichtung einer Flugverbotszone gilt jedoch ein entsprechendes Uno-Mandat als Voraussetzung. Im Sicherheitsrat laufen daher pausenlos Beratungen; es hieß aus New York, der Libanon - derzeit einziges arabisches Mitglied des Gremiums - wolle heute einen offiziellen Vorstoß zur Einrichtung einer derartigen Schutzzone unternehmen. Zudem soll heute ein Treffen von Ministern der G8-Staaten über das Problem beraten.
Indessen gelang es den Regimetruppen nach eigenen Angaben, die Stadt Brega von den Rebellen zurückzuerobern. Es hieß, Brega sei "von bewaffneten Banden gereinigt" worden. In der Stadt befindet sich ein wichtiger Ölhafen. Auch der wichtige Ölumschlaghafen Ras Lanuf befindet sich inzwischen wieder in den Händen der Regierungstruppen. Um die 300 000-Einwohner-Stadt Misrata im Westen wurde dagegen noch erbittert gekämpft. Offenbar kam es dabei zu einer Meuterei unter den Gaddafi-Truppen. Es hieß, Angehörige einer Brigade, die einem Sohn Gaddafis unterstellt seien, hätten sich geweigert, auf die Stadt zu feuern. Ein General und 32 Soldaten seien zu den Rebellen übergelaufen, die anderen Meuterer seien hingerichtet worden. Eine andere westliche Stadt, Sawija, wurde ebenfalls zurückerobert. Gaddafis Sohn Saif al-Islam verkündete bereits, der Sieg über die Rebellen stünde kurz bevor. Die Aufständischen befürchten nun, dass Gaddafis Truppen nach diesen Erfolgen weiter auf die Rebellenhochburg Bengasi marschieren werden. Bengasi ist Metropole der Region Cyrenaika, die traditionell kritisch gegenüber dem Machtzentrum Tripolis eingestellt ist. Wie viele Menschen den Kämpfen bislang zum Opfer gefallen sind, ist kaum zu überblicken - doch es dürften Tausende sein.
Ein Korrespondent der "New York Times" berichtete in ihrer Online-Ausgabe, die ursprünglich friedliche Protestbewegung der libyschen Jugend nehme allmählich einen anderen Charakter an und steuere auf das Chaos zu. Diktatoren wie Gaddafi argumentierten stets, sie stünden als Einzige gegen die Kräfte des Chaos und gegen religiöse Militanz. Es sei die Tragik der libyschen Revolte, dass aus dieser Plattitüde allmählich Wirklichkeit werde.
Jeder laufe mit Waffen herum, und die Anzeichen einer Radikalisierung - religiöser oder politischer Art - mehrten sich. "Dies sollte besser nicht so weitergehen", zitierte das US-Blatt den Chirurgen Dr. Salem Langhi, der in einem Krankenhaus rund um die Uhr Verwundete versorgt. "Es bringt nur Elend und Groll unter den Menschen. Das Leben und seine Glieder zu verlieren macht niemanden optimistisch." Der Arzt sagte, er tadele diejenigen Rebellen, die sich inzwischen Mudschaheddin nennen würden. Das Wort bezeichnet muslimische Glaubenskämpfer. "Darum geht es doch hier nicht", betont er, "das hier ist eine Revolution."