Als eine Option gelten Luftschläge, immerhin wurde dem libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi schon offiziell Völkermord vorgeworfen.
Brüssel. Libyen bereitet den Nato-Militärs große Sorgen. „Eine Flugverbotszone ist schnell gefordert, aber letztlich heißt das Krieg. Darüber müssen sich alle im Klaren sein“, heißt es bei der Allianz in Brüssel. Die Probleme beginnen schon bei der Rechtsgrundlage. Als eine Möglichkeit gelten Luftschläge , immerhin wurde dem libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi schon offiziell Völkermord vorgeworfen. Aber mit der Erfahrung des Irak-Krieges und den damaligen heftigen Problemen in der Nato wird im weltweit größten Militärbündnis eine erneute „Selbstmandatierung“ ausgeschlossen. Militäreinsatz nur mit UN-Mandat, sagen NATO und Europäische Union übereinstimmend.
Damit liegt der Ball im Feld der Vereinten Nationen. Doch im UN-Sicherheitsrat, wo die neue Resolution herkommen muss, sitzen Veto-Mächte wie Russland und China. Ihnen werden gute Beziehungen zu Libyen nachgesagt. Zudem wird von beiden – siehe Tschetschenien oder Tibet – das Verbot zur Einmischung in innere Angelegenheiten hochgehalten. Mit einer raschen Einigung ist also nicht zu rechnen. Gemäß dem Motto „es muss was geschehen, aber es darf nicht passieren“ hat die Nato intern deshalb angefangen, Grundlagen einer Flugverbotszone durchzuspielen. Erste Frage: Sollte diese „no-fly-zone“ nur den Küstenstreifen umfassen oder das ganze Land? Bei Variante zwei muss bedacht werden, dass Libyen etwas größer ist als Alaska oder knapp fünf Mal so groß wie Deutschland. Wie viel Flugzeuge würden gebraucht, wo werden sie stationiert und versorgt? Wer übernimmt die Kosten? Und wie lange wird der Einsatz dauern?
Frage zwei ist der Umfang eines solchen Einsatzes. Reicht es aus, nur die libyschen Radarstationen zu zerstören oder muss nicht auch die Flugabwehr ausgeschaltet werden? Was passiert mit Flakbatterien in Wohngebieten? Wie weit ist man bereit, zivile Opfer zu akzeptieren. „Wir haben unsere Lektion aus Afghanistan gelernt“, argumentieren Militärs, wenn sie auf die öffentlich kaum noch verständliche Zurückhaltung der Nato angesprochen werden. Völlig offen ist schließlich Frage drei: Soll man militärisch einen Regimewechsel herbeiführen? Wenn ja, zu wem? Wenn ja, wie lange kann ein solcher Militäreinsatz dauern? Wenn ja, was sind die Folgekosten? „Libyen kann nicht isoliert betrachtet werden. Dort bündeln sich nur die Probleme der gesamten Region wie in einem Mikrokosmos“, sagen Nato-Diplomaten. Und wie soll man sich nach einem Eingreifen in Libyen zum Umbruch in der arabischen Welt verhalten, wo gerade in weiteren Ländern „Tage des Zorns“ beginnen.
Die USA als größter Nato-Partner haben schon mal die Richtung vorgegeben: „Es ist sehr wichtig, dass dies nicht eine US-geführte Aktion wird“, wird in Washington offiziell betont. Unter der Hand gehen Geheimdienstexperten sogar davon aus, dass man mit Gaddafi „noch längere Zeit“ zu rechnen habe: „Wir sehen derzeit nicht, in welche Richtung das Land geht.“ Vor diesem Hintergrund wird klar, warum Europa – Europäische Union und Nato in selten trauter Einheit – so zögerlich sind. In Brüssel heißt es mit einem gewissen Fatalismus: „Wir müssen einfach aufpassen, dass wir zum Schluss nicht auf der Seite der Verlierer stehen.“