Guttenbergs Doktorarbeit wird nicht nur von Medien, sondern auch von Plagiatsjägern im Internet seziert. Dabei kommen neue Vorwürfe auf.
Hamburg/Berlin/München. Immer neue Plagiatsvorwürfe gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: Die Zahl der Autoren, von denen der CSU-Politiker abgeschrieben haben soll, steigt stetig. Das Aufspüren von Plagiaten in der Doktorarbeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist zum Volkssport im Internet geworden. Es gibt ganze Portale auf Google und einer Wikipedia ähnlichen Plattform ( http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/Plagiate ), die sich mit der angeblich in Teilen abgekupferten juristischen Dissertation Guttenbergs an der Universität Bayreuth befasst. Und dieser populäre Spürsinn, diese Häme und der vorhergesagte politische Schaden bringen Deutschlands beliebtesten Bundespolitiker weiter unter Druck. Dabei sprechen viele Parteikollegen von einer Schmutzkampagne gegen Guttenberg . Den Tag nach der Enthüllung verbrachte er mal wieder in Afghanistan bei den deutschen Soldaten. Wer da wem Mut zusprechen musste, darf vor dem Hintergrund von Guttenbergs „Copygate“ neu bewertet werden.
Nach Informationen von „Spiegel online“ soll Guttenberg in seiner Doktorarbeit noch mehr Texte abgeschrieben haben, als bisher bekannt wurde. So habe er einen Absatz von der Webseite der US-Botschaft ohne Fußnote verwendet und sich aus einem Beitrag des CDU-Europaabgeordneten Andreas Schwab bedient. Außerdem habe er mehrere Absätze aus einer Rede des Jura-Professors Gerhard Casper ohne direkten Hinweis verwendet. Zudem findet sich in der Dissertation eine Textpassage aus einem Aufsatz des Staatsrechtlers und ehemaligen Verteidigungsministers Rupert Scholz (CDU). Dabei geht es um einen Beitrag von 2001 mit dem Titel „Fünfzig Jahre Bundesverfassungsgericht“. Eine Fußnote von Scholz übernahm er ebenfalls. Ein Hinweis auf Scholz fehlt aber in der Doktorarbeit.
Guttenbergs Kabinettskollegen halten sich mit Kommentaren zu der Affäre zurück.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte auf die Frage, ob Guttenberg wegen der Probleme zurücktreten solle: „Ich äußere mich nicht zu Dissertationen oder Abiturzeugnissen.“ Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte dem „Hamburger Abendblatt“: „Die Plagiatsvorwürfe gegen den Verteidigungsminister sollten ganz in Ruhe aufgeklärt werden.“ Gleichzeitig warnte sie: „Aufgeregte Kommentare sollten genauso unterbleiben wie Vorverurteilungen.“
Linke-Chefin Gesine Lötzsch geht von einem Rücktritt Guttenbergs aus, falls er den Doktortitel verliert: „Wer seine Doktorarbeit (...) gefälscht hat, indem er ohne Angabe von Quellen abgeschrieben hat, dem wird normalerweise der Doktortitel aberkannt. Und wem der Doktortitel aberkannt wird, der ist auch als Minister nicht mehr haltbar“, sagte sie dem Fernsehsender N24.
Ähnlich äußerte sich der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold: „Guttenbergs Glaubwürdigkeit wäre dann völlig zerstört“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU) warf der Opposition im Bundestag eine „Schmutzkampagne“ vor und bezeichnete die Vorwürfe in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ als „lächerlich“.
Guttenberg hat von der Universität Bayreuth zwei Wochen Zeit erhalten, sich zu den Plagiatsvorwürfen wegen seiner Doktorarbeit zu äußern. Am Donnerstag sei ein Brief an Guttenberg mit der Aufforderung um Stellungnahme innerhalb der nächsten zwei Wochen versandt worden, sagte ein Universitäts-Sprecher. Danach werde sich die Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft der Universität mit seiner Antwort befassen. Wie das Verfahren dann weiter laufe, liege in den Händen dieser Kommission. Guttenberg hatte am Mittwoch einzelne Fehler nicht ausgeschlossen. Die Vorwürfe insgesamt nannte er aber „abstrus“.
Für den Sprecher des Ombudsgremiums für die Wissenschaft, den Bonner Juristen Professor Wolfgang Löwer, ist es entscheidend, ob eine Täuschungsabsicht besteht. „Sie müssen schlechte Wissenschaft und Täuschung auseinanderhalten“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Der Plagiatexperte Volker Rieble sieht in der Dissertation von Guttenberg eklatante Verstöße gegen grundlegende Standards in wissenschaftlichen Arbeiten. „Da sind eindeutige Fremdtexte wortwörtlich abgeschrieben, es sind keine Fußnoten, es sind teilweise keine Angaben im Literaturverzeichnis zu den Fremdtexten“, sagte der an der Universität München lehrende Arbeitsrechts-Professor der Nachrichtenagentur Reuters. „Es fehlen vor allem auch die Anführungszeichen, die man beim wörtlichen Fremdzitat unbedingt braucht.“
Sein Fazit der mit summa cum laude (mit Auszeichnung) bewerteten Arbeit: „Ich finde das Buch wissenschaftlich gesehen mangelhaft.“ Experte Rieble sieht eine Täuschung in der Arbeit. Ihm seien beim Sichten der Doktorarbeit zudem an einigen Stellen Stilbrüche aufgefallen. „Da merken sie einfach, dass sich praktisch der Duktus ändert.“ Das könne zwar auch an Tagesformen des Doktoranden liegen, aber es mache stutzig. Rieble veröffentlichte die Untersuchung „Das Wissenschaftsplagiat“. Nach seinen Worten sind Plagiate in Doktorarbeiten keine Einzelfälle. Er kann sich nicht vorstellen, dass dem Doktorvater Peter Häberle die Fremdtexte in Guttenbergs Doktorarbeit bekannt waren. Der Vorgang sei gewiss peinlich, könne aber jedem Doktorvater passieren.
Das bayerische Wissenschaftsministerium sieht bei der Aufklärung der Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg allein die Universität Bayreuth in der Pflicht. Die zuständigen Gremien dort seien bereits aktiv, sagte eine Ministeriumssprecherin. „Wir verfolgen das Verfahren, haben aber keine Anhaltspunkte, dass da etwas nicht in Ordnung sein könnte.“ SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher hatte Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) zuvor in einem Brief aufgefordert, „für einen transparenten Aufklärungsprozess Sorge zu tragen“. Auch die Uni Bayreuth müsse ihren guten Ruf verteidigen. „Eine ,Lex Dr. Verteidigungsminister’ darf es dabei nicht geben.“
(Mit Material von dpa)