Der Antrag auf die Durchsuchung von Büroräumen wurde abgelehnt. Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht ein Buchhalter Berlusconis.
Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat im jüngsten Sexskandal Unterstützung durch das italienische Parlament erfahren. Die Mehrheit der Abgeordneten wies einen Antrag der Staatsanwalt ab, eines der Anwesen von Berlusconi zu durchsuchen. Die Abgeordnetenkammer verwies den Fall zurück nach Mailand und stellte zugleich die Zuständigkeit der dortigen Staatsanwälte infrage.
Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht ein Buchhalter Berlusconis, Giuseppe Spinelli, der im Namen des Premiers eine minderjährige Prostituierte sowie Dutzende junger Frauen für Partybesuche in den Villen des Regierungschefs bezahlt haben soll. Berlusconi hat die Vorwürfe bestritten.
Die Mailänder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Ministerpräsidenten und drei seiner Mitarbeiter wegen des Vorwurfs, Berlusconi habe eine damals 17-Jährige für Sex bezahlt und später sein Amt missbraucht, um die Beziehung zu vertuschen. Geschlechtsverkehr mit minderjährigen Prostituierten ist in Italien verboten.
Zudem zitierten italienische Zeitungen in den vergangenen Tagen immer wieder aus Gerichtsunterlagen, in denen von ausschweifenden Partys mit jungen Frauen in Berlusconis Mailänder Villa berichtet wird. Die Frauen hätten sich vor dem 74-jährigen Regierungschef und seinen Freunden ausgezogen und mit ihnen getanzt, hieß es in den Berichten. Für ihre Teilnahme an den Feiern sollen sie von Berlusconi Schmuck und Bargeld erhalten haben.
Die Abstimmung dürfte aber nur begrenzte Auswirkungen auf die Ermittlungen haben. Die Mailänder Staatsanwaltschaft wollen ihre Ermittlungen auf jeden Fall fortsetzen. Es wird erwartet, dass sie schon in der kommenden Woche den Antrag für eine Anklage gegen Berlusconi stellen werden.
Vor der Abstimmung über die Untersuchung von Spinellis Büroräumen hatte Berlusconi bei den Beratungen über ein neues Steuergesetz im Parlament eine Schlappe hinnehmen müssen. Im zuständigen Ausschuss kam es zu einem Patt, was einer Ablehnung gleichkommt. Das Gesetz würde Städten und Gemeinden mehr Rechte und eine größere Rolle bei der Erhebung von Steuern geben.
Auf die Verabschiedung des Gesetzes dringt vor allem die Lega Nord, der wichtigste Verbündete Berlusconis. Die Anhänger des Regierungschefs verweisen aber darauf, dass die Abstimmung im Ausschuss noch nichts über das Ergebnis sagt, wenn das Gesetz im gesamten Parlament zur Abstimmung kommt. Berlusconi setzt auf eine Stärkung der Regionen und Städte, um die Wirtschaft anzukurbeln. Er strebt ein Wirtschaftswachstum von drei oder vier Prozent in fünf Jahren an, nach einem Prozent in diesem Jahr. (dapd/abendblatt.de)
Lesen Sie auch: Der Papst nimmt Berlusconi ins Gebet
Der Vatikan hat sich angesichts von Vorwürfen wegen Begünstigung der Prostitution Minderjähriger gegen den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, 74, erstmals von dem Regierungschef distanziert. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone forderte Zeitungsberichten zufolge nach Berichten über mutmaßliche Sex-Partys des Politikers „mehr Sittlichkeit, Gerechtigkeit und Legalität“.
Der Heilige Stuhl verfolge „aufmerksam und besorgt“ die Debatte um den Ministerpräsidenten, sagte der Kardinal in ungewöhnlich kritischem Ton bei einem Besuch in einem Pflegeheim in Rom. Bertone wies auf die Vorbildfunktion von Politikern hin. Diese hätten „große Verantwortung im Hinblick auf die Familien und künftige Generationen“. Bertone erinnerte an die Forderung des italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, die Vorwürfe gegen Berlusconi zu klären. In der Vergangenheit hatte der Vatikan vereinzelte Kritik italienischer Bischöfe an Berlusconi in deutlicher Form zurückgewiesen. Es scheint, dass auch Papst Benedikt XVI. sich Sorgen um die Moral in Italien macht. Die Aussagen Bertones sind sicherlich Ausdruck eines Umschwenkens im Vatikan. Bislang hatte sich das Oberhaupt der Katholiken zurückgehalten.
Die linke Opposition in Italien will zehn Millionen Unterschriften sammeln, „um Berlusconi nach Hause zu schicken.“ Das kündigte der Chef der größten Oppositionspartei PD (Demokratische Partei), Pier Luigi Bersani, an, wie italienische Medien berichteten. Notwendig sei nun eine „Volksmobilisierung“. Berlusconi wird von der Staatsanwaltschaft in Mailand verdächtigt, mehrere junge Mädchen gegen Bezahlung zu orgienartigen Festen und Nächten in sein Luxus-Anwesen Arcore bei Mailand eingeladen zu haben, darunter die damals noch minderjährige „Ruby“.
Derweil sucht Italiens Klatsch- und Promi-Presse nach der geheimnisvollen Frau, mit der Berlusconi seit der Trennung von Gattin Veronica Lario eine „feste Beziehung“ haben will. Während politische Beobachter meinen, Berlusconi könne mit dieser Enthüllung von seinen Affären ablenken wollen, hatte das Boulevard-Blatt „Novella 2000“ sofort eine Hit-Liste von einem Dutzend Damen aufgestellt. Darin führt als eventuelle Berlusconi-Partnerin die 49-jährige Unterstaatssekretärin Daniela Santanché.
Es tauchen aber auch Namen auf wie Aisha Gaddafi, die „Claudia Schiffer der Wüste“ genannte Tochter des libyschen Führers, oder Namen wie der einer Witwe eines russischen Magnaten. Dass sich Berlusconi auch den Zorn des Vatikans zugezogen hat, dürfte dem konservativen Regierungschef wegen der katholischen Wählerschichten ungelegen kommen.
Sollten sich die Vorwürfe gegen Berlusconi erhärten und er vor Gericht gestellt werden, droht ihm eine Haftstrafe. In Italien ist Sex mit Prostituierten erlaubt, mit Minderjährigen steht er hingegen unter Strafe. Das italienische Verfassungsgericht hatte vergangene Woche die Immunität Berlusconis aufgehoben und damit eine Strafverfolgung des Regierungschefs ermöglicht.