Die italienische Staatsanwaltschaft wirft dem Regierungschef Silvio Berlusconi Sex mit einer minderjährigen Nachtclubtänzerin vor. Die Verteidiger bezeichnen das Verfahren als absurd.
Mailand. Silvio Berlusconi wurde schon oft abgeschrieben. Der italienische Ministerpräsident schafft es aber wie kein Zweiter, seinen Kopf immer wieder aus der Schlinge zu ziehen. Der mittlerweile 74-Jährige ist nach wie vor einer der Reichsten Bürger Italiens. Doch Skandal und Affären ziehen sich wie ein roter Faden durch die Vita des Lebemanns. Weil er eine hohe Arbeitsbelastung habe, schaue er hin und wieder schöne Frauen an, sagte er einst zu Vorwürfen im Zusammenhang mit weiblichen Schönheiten. Der aktuellste Fall im Lebenslauf des Politikers könnte für Berlusconi aber ungeahnte Konsequenzen haben.
Gleich zweimal musste er dieser Tage kräftig schlucken. Bereits die Zurechtstutzung seines Immunitätsgesetzes durch die Verfassungsrichter war ein Tiefschlag für den Regierungschef. Doch das dürfte Berlusconi verkraften. Mehr beschäftigen wird ihn der Sexskandal um die Prostituierte mit dem Künstlernamen "Ruby Rubacuori". Die marokkanische Bauchtänzerin brachte Berlusconi bereits im Oktober 2010 in Bedrängnis, als der Staatsmann vor der Staatsanwaltschaft aussagen musste. Doch nun ist Berlusconi selbst in das Visir der Justiz geraten.
Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat gegen den italienischen Ministerpräsidenten Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet. Die Online-Ausgabe der Zeitung Corriere della Sera berichtet, Berlusconi habe vertuschen wollen, "Kunde einer 17-jährigen Prostituierten während zahlreicher Wochenenden in Arcore" gewesen zu sein. Außerdem habe er versucht, sich Straffreiheit zu sichern und Einzelheiten der Feiern unter Verschluss zu halten. Wie es hieß, war die junge Go-Go-Tänzerin mit anderen jungen Frauen zu Partys in Berlusconis Villa Arcore geladen. Berlusconi stehe im Verdacht, die Nachtclubtänzerin für Sex bezahlt zu haben, teilte ein Mailänder Magistratsgericht am Freitag mit. In Italien ist es strafbar, gegen Bezahlung Sex mit Prostituierten unter 18 Jahren zu haben. Der Anwalt Berlusconis sagte, die Ermittlungen seien „absurd und entbehren jeder Grundlage“. Und weiter: „In der Tat ist das eine sehr ernste Einmischung in das Privatleben des Regierungschefs, einzigartig in der Justizgeschichte des Landes“, erklärten die Anwälte Piero Longo und Niccolo Ghedini.
Die Ermittlungen bezögen sich auf Ereignisse auf dem Anwesen Berlusconis bei Mailand zwischen Februar und Mai 2010. Berlusconis Anwalt erklärte, die Vorwürfe seien bereits von Zeugen und den direkt Betroffenen zurückgewiesen worden. „Ruby“ hatte in Zeitungen zwar eingeräumt, nach einer Party 7000 Euro erhalten zu haben. Sex habe sie aber mit Berlusconi nicht gehabt. Dieser selbst hat bestätigt, Ruby zu kennen und bei der Polizei wegen des Falles angerufen zu haben. Er habe aber nur einem Menschen in Not geholfen. Das Verfahren gegen ihn wurde bereits am Dezember eingeleitet und Freitag bekannt. Die ermittelnden Staatsanwälte wollen Berlusconi in Mailand zwischen dem 21. und 23. Januar zu dem Vorwurf hören, er habe die „sexuelle Natur“ einiger Aktivitäten auf diesen Partys zu verschleiern versucht.
Trotz des Urteils schloss Berlusconi eine vorgezogene Wahl aus. „Die gestrige Entscheidung des Verfassungsgerichts hat absolut keinen Einfluss, die Regierung wird weitermachen. Das Letzte, was Italien jetzt braucht, sind Neuwahlen“, sagte Berlusconi dem Fernsehsender Canale 5. Das Verfassungsgericht war von Richtern aus Mailand angerufen worden. Dort gibt mehrere Verfahren im Zusammenhang mit Berlusconis Medienimperium Mediaset.
(rtr/dpa/abendblatt.de)