„Das ist nicht der große Wurf“, bemängeln Experten und Unternehmer. Die wichtigsten Änderungen für Familien, Rentner, Pendler bei abendblatt.de.
Berlin/Hamburg. Der wichtigste Bestandteil der schwarz-gelben Steuerpläne ist die Erhöhung der Werbungskostenpauschale. Arbeitnehmer sollen wahrscheinlich ab 2012 mehr beruflich bedingte Kosten – sogenannte Werbungskosten – von der Steuer absetzen können. Und zwar ohne dass sie dafür Belege vorweisen müssen. Bislang gilt eine Pauschale von 920 Euro, demnächst von 1000 Euro. Der Schritt kostet den Staat rund 330 Millionen Euro im Jahr.
Von der Liste an Vereinfachungen bringt laut Steuerzahlerbund im Grunde nur diese Änderung finanzielle Ersparnis für die Bürger. Der Effekt im Portemonnaie ist aber minimal. Den Steuerexperten zufolge werden Gutverdiener durch die Aufstockung im Schnitt um 35 Euro im Jahr entlastet – also um nicht mal drei Euro im Monat. Für Normalverdiener macht die Änderung ein jährliches Plus von 20 bis 30 Euro aus – also zwischen 1,70 und 2,50 Euro monatlich.
Ohnehin haben mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer überhaupt nichts von der Anhebung, weil ihre Werbungskosten die Pauschale übersteigen. Um die große Masse der Arbeitnehmer von aufwendigen Einzelnachweisen zu verschonen und für spürbare Effekte zu sorgen, müsste die Pauschale „um weit mehr als nur um 80 Euro“ angehoben werden, heißt es beim Bund der Steuerzahler. Für den Geldbeutel brächten die Vorschläge der Koalition „wenig bis gar nichts“, resümieren sie. Die Liste der Vereinfachungen sei „nicht der große Wurf“.
Das Handwerk hat sich enttäuscht über die Beschlüsse der schwarz-gelben Koalition zur Steuervereinfachung gezeigt. Für mittelständische Betriebe werde das Ziel einer Vereinfachung „leider nicht erreicht“, erklärte Holger Schwanneke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Hier müsse die Bundesregierung noch „erheblich nacharbeiten“. Zwar sei es richtig, den Arbeitnehmerpauschbetrag anzuheben und die Steuererklärungsvordrucke für die Steuerzahler zu verschlanken, erklärte Schwanneke. Genauso wichtig wäre es aber, im Unternehmensbereich zu einem deutlichen Abbau unnötiger Steuerbürokratie zu kommen.
Die vorgesehene Erleichterung der elektronischen Rechnungsstellung für Firmen sei zu begrüßen – müsse gemäß EU-Recht aber ohnehin zum Januar 2013 umgesetzt werden, monierte der ZDH-Generalsekretär. Alle anderen Maßnahmen im Steuervereinfachungsgesetz beträfen die Unternehmen „entweder gar nicht oder nur am Rande“.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte sich bereits enttäuscht geäußert. „Die Möglichkeiten für eine wirklich durchgreifende Vereinfachung“ seien mit dem Paket noch nicht erschlossen, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf der „Berliner Zeitung“.
Das sind die wichtigsten Änderungspläne in der Übersicht:
Einkommensteuer: Arbeitnehmer können ihre Einkommenssteuererklärung künftig auch alle zwei Jahre abgeben – sofern sie das wollen. Eine mögliche Erstattung käme dann auch nur alle zwei Jahre.
Pauschbetrag: Den Arbeitnehmern soll schon bald eine höhere Werbungskostenpauschale von 1000 Euro statt bisher 920 Euro zugutekommen. Damit müssen die Steuerzahler künftig weniger Quittungen sammeln, um ihre Ausgaben zu belegen. Die Bundesregierung rechnet hierbei mit Mindereinnahmen von 330 Millionen Euro.
Kinder: Die Erklärungspflichten bei Kindern werden reduziert. Bei den Kosten für die Kinderbetreuung soll zudem nicht mehr unterschieden werden, ob die Kinder aus beruflichen Gründen in die Obhut Dritter gegeben werden, oder ob dies privat veranlasst wurde. Hier wird von Mindereinnahmen von 60 Millionen Euro ausgegangen. Beim Kindergeld wird auf die Überprüfung des Einkommens volljähriger Kinder verzichtet. Der Fiskus nimmt damit voraussichtlich 200 Millionen Euro weniger ein.
Ehepaare: Statt derzeit sieben Veranlagungs- und Tarifvarianten für Ehepartner soll es nur noch vier geben.
Rentner: Das Besteuerungsverfahren bei Rentnern wird vereinfacht, unter anderem durch eine bereits vorausgefüllte Steuererklärung.
Stipendien: Neben den regulären Stipendien sollen auch indirekte Zahlungen etwa aus EU-Förderprogrammen steuerfrei sein.
Pendler: Wer abwechselnd mit Auto oder öffentlichem Nahverkehr zur Arbeit fährt, muss heute für jeden einzelnen Tag die Höhe der Werbungskosten berechnen. Eine jährliche Vergleichsrechnung soll künftig ausreichen.
Kapital: Kapitaleinkünfte müssen nach Einführung der Abgeltungssteuer grundsätzlich nicht mehr in der Steuererklärung angegeben werden. Ausnahmen gibt es bisher, wenn außergewöhnliche Belastungen und Spenden beim Finanzamt geltend gemacht werden. Auf die Erklärungspflicht soll auch in solchen Fällen bald verzichtet werden.
Elektronische Verfahren: Durch die elektronische Kommunikation mit dem Finanzamt sollen Steuererklärungen deutlich erleichtert werden. Vorgesehen ist die Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte, die der Arbeitgeber ab 2012 von einer bundesweiten Datenbank abrufen kann. Angestrebt wird auch, den Bürgern eine von der Finanzverwaltung bereits vorausgefüllte Steuererklärung anzubieten. Der Steuerpflichtige muss diese dann nur im Internet abrufen und die ausgefüllten Angaben überprüfen.