Kanzlerin Merkel schließt trotz des Wirtschaftsaufschwungs Steuersenkungen im kommenden Jahr aus. Im Vordergrund stehe der Schuldenabbau.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versucht, die Debatte über Steuersenkungen abzuwürgen. Es gebe aus ihrer Sicht „keinerlei Spielraum“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Wir müssen uns vor allem der Aufgabe stellen, die Verschuldung herunterzubringen.“ Doch die Diskussion nimmt in der schwarz-gelben Koalition immer mehr an Fahrt auf.

Am Donnerstag gibt es für die Befürworter neue Argumente: Dann verkünden die Steuerschätzer ihre Prognose, und die dürfte positiv ausfallen. Der Wirtschaftsaufschwung sorgt für mehr Einnahmen und weniger Ausgaben beim Staat. Weniger als 50 Milliarden Euro neue Schulden soll der Bund demnach im kommenden Jahr machen. Bisher kalkuliert Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für 2011 mit 57,5 Milliarden.

Das könnte neuen Spielraum für Steuersenkungen öffnen, sagen Koalitionspolitiker. Allerdings momentan noch meist hinter vorgehaltener Hand. Offizielle Linie der Regierung ist weiterhin: Erst muss der Haushalt konsolidiert werden. „Das betrifft ganz sicher den Rest des Jahres 2010 und das Jahr 2011. Und dann sehen wir weiter“, wie Sprecher Seibert betonte.

Die Frage ist, ob die Geduld so lange reicht. Denn Entlastungen für die Bürger könnten – so die Hoffnung in den Fraktionen von Union und FDP – der Koalition aus dem Stimmungstief helfen. Da Steuersenkungen von der Kanzlerin noch ausgeschlossen werden, konzentriert sich die Debatte nun auf eine Vereinfachung der Steuergesetze. „Bei der Steuervereinfachung muss ein großer Wurf gelingen, der auch spürbar bei den Bürgern ankommt“, sagte der CDU-Abgeordnete Christian von Stetten WELT ONLINE. Das Problem: Auch dieses Projekt kostet Geld, etwa wenn die Bürger künftig in ihrer Steuererklärung mehr Pauschalen geltend machen können. Finanzminister Schäuble ist bisher bereit, 500 Millionen Euro für das Vorhaben auszugeben. Diese Summe will er durch die Erhöhung der Tabaksteuer ausgleichen.

Am Mittwoch treffen sich die Steuerabteilungsleiter von Bund und Ländern. Sie sollen über ein Papier mit 18 Vorschlägen beraten. Die Liste sieht unter anderem vor, dass Kosten für die Kinderbetreuung einfacher abgesetzt werden können. Zudem soll es mehr Möglichkeiten geben, Erklärungen per Mail an das Finanzamt senden zu können. Schäuble hatte zudem am Wochenende eine Forderung aufgegriffen, nach der eine Steuererklärung nur noch alle zwei Jahre abgegeben werden muss.

In der Union wächst allerdings die Sorge, dass bei den Steuervereinfachungen am Ende nicht viel mehr als die 18 Vorschläge umgesetzt werden, weil damit möglicherweise die 500 Millionen bereits ausgegeben sind. Schäuble hatte zugesagt, damit auch Einnahmeausfälle der Länder auszugleichen, um deren Zustimmung im Bundesrat zu sichern. „Am Entlastungsvolumen müssen sich die Länder aber auch beteiligen“, forderte hingegen CDU-Mittelstandspolitiker von Stetten. Dadurch ließen sich dann weitere Maßnahmen umsetzen.

Eine Arbeitsgruppe der Fraktionen von Union und FDP hatte Schäuble im Sommer eine Liste mit 90 Vorschlägen geschickt. Der Wirtschaftsflügel der Union fordert seit Längerem eine möglichst weitreichende Vereinfachung. „Ich wünsche mir, dass wir etwas mehr machen“ sagte Unionsvizefraktionschef Michael Fuchs (CDU) WELT ONLINE. Mit der Erhöhung der Tabaksteuer seinen langfristig Steuervereinfachungen mit einem Volumen von einer Milliarde Euro finanzierbar. Darüber hinaus sieht aber auch er momentan keinen Spielraum. Die Haushaltskonsolidierung gehe vor.

Bei der FDP halten sich Politiker momentan auffallend zurück mit Forderungen. Dafür reklamieren die Liberalen die Vereinfachungen für sich. Es sei „maßgeblich das Verdienst der FDP“, dass Schäuble „nun endlich im Dezember einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen wird“, sagte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger. Die FDP erwarte, dass die Vielzahl der bereits im Koalitionsvertrag festgehaltenen Vorschläge zur Steuervereinfachung selbstverständlich auch Bestandteil des Gesetzentwurfes des Bundesfinanzministers werden, fügt sie an. Dort habe man im Übrigen schon die zweijährliche Steuererklärung durchgesetzt.

Quelle: Welt Online