Der Demokrat will mit den Republikanern eine gemeinsame Grundlage finden, um Fortschritte zu erzielen. Obama übernimmt die Verantwortung.

New York/Hamburg. US-Präsident Barack Obama stehen nach der Wahlschlappe seiner Demokratischen Partei bei den Kongresswahlen zwei schwere Amtsjahre bevor. Obama räumte am Mittwoch eigene Fehler ein und übernahm die Verantwortung für die schleppende Wirtschaftserholung des Landes, die als Grund für das schlechte Abschneiden seiner Partei gilt. Zugleich rief er die oppositionellen Republikaner zu einer konstruktiven Zusammenarbeit auf.

Er bekenne sich zur „direkten Verantwortung für die Tatsache, dass wir nicht so viel Fortschritt gemacht haben, wie es nötig gewesen wäre“, sagte Obama bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. „Ich werde einen besseren Job machen müssen, genauso wie alle anderen in Washington auch.“ Zwei Jahre nach Obamas Wahl zum Präsidenten hatten die Republikaner bei den Kongress- und Gouverneurswahlen am Dienstag die Mehrheit im Repräsentantenhaus errungen, Sitze im Senat hinzugewonnen und sich in mehreren US-Bundesstaaten Gouverneursposten gesichert.

Obama wertete das Ergebnis der Wahl als Ausdruck einer „tiefen Unzufriedenheit“ der Wähler. Zwar habe sich die Wirtschaft stabilisiert, sagte Obama. „Zu viele Amerikaner haben bislang noch nicht gespürt, dass es aufwärts geht.“ Das Wahlergebnis zeige seiner Ansicht nach aber nicht, dass die Wähler seine Politik pauschal ablehnten.

Obama rief die Republikaner, ohne die er nun keine Gesetze mehr im Kongress verabschieden lassen kann, zu Kompromissbereitschaft auf. „Keine Partei wird diktieren können, wie es nun weitergeht“, sagte Obama. „Wir werden Gemeinsamkeiten und Kompromisse finden müssen.“ Obama räumte ein, dass dies angesichts der polarisierten politischen Stimmung „nicht einfach“ sein werde.

Wichtigster Erfolg der Republikaner ist ihr Erdrutschsieg im Repräsentantenhaus. Sie gewannen der Internetseite realclearpolitics.com zufolge mindestens 61 Sitze hinzu und schicken damit künftig mindestens 240 Abgeordnete in die 435 Sitze umfassende Kongresskammer.

Der bisherige Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, wird nun aller Voraussicht nach die Demokratin Nancy Pelosi als Vorsitzender des Repräsentantenhauses ablösen. Als Mehrheitspartei werden die Republikaner zudem auch den einflussreichen Fachausschüssen vorsitzen. Boehner wertete den Wahlausgang als Auftrag für einen Politikwechsel. „Das amerikanische Volk hat dem Präsidenten eine Botschaft gesandt: Ändern Sie Ihren Kurs!“, sagte er in Washington.

Im Senat behalten die Demokraten mit mindestens 52 von 100 Sitzen zwar die Mehrheit, aber auch dort feierten die Republikaner den Zugewinn von mindestens sechs Mandaten. So wurde Obamas früherer Senatssitz im US-Bundesstaat Illinois, den zuletzt der Demokrat Mark Kirk inne hatte, von einem Republikaner erobert. Dem neuen Senat werden erstmals auch mehrere Kandidaten der konservativen „Tea Party“ angehören, die für den Fall ihrer Wahl eine Fundamentalopposition gegen Obama angekündigt hatten. Allerdings setzte sich in einem der am härtesten umkämpften Senatsrennen in Nevada der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, durch.

Parallel zur Kongresswahl wurden in 37 der 50 US-Bundesstaaten die Gouverneure neu gewählt. Der Demokrat Jerry Brown konnte als Sieger in Kalifornien einen Zugewinn für Obamas Lager feiern, in rund zehn Bundesstaaten verloren dagegen die demokratischen Kandidaten.

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Die Sonne geht auf – und Amerika hat eine neue politische Landschaft. Der Sieg der Republikaner bei der Kongresswahl in den USA wird Präsident Barack Obama herbe Schwierigkeiten bescheren. Ob die Gesundheitsreform zurückgenommen wird, die ambitionierten Klimaziele sich verwirklichen lassen, die Arbeitslosigkeit bekämpft, die Finanzbranche weiter im Zaum gehalten und das Engagement der Amerikaner im Ausland so weitergeht – all das steht nun auf dem Prüfstand. Auch wenn der Wechsel sich im Senat nicht so stark niederschlägt, ist der Erfolg der Republikaner im Repräsentantenhaus bemerkenswert. Ihr neuer Frontmann John Boehner, wegen seiner Blockadehaltung gegen Obamas Pläne von vielen bereits „Mr. No“ genannt, wird der wichtigste Gegenspieler des Präsidenten. Guten Morgen, Mr. President – Sie haben ein Problem. So könnte Obama in diesen 3. November starten.

+++ Mr. No wird Obamas Gegenspieler im Kongress +++

Boehner benutzte Obamas Rhetorik vom Wandel und sagte noch in der Nacht: „Ich habe mein ganzes Leben lang dem Amerikanischen Traum nachgejagt“, rief der Republikaner aus Ohio mit zitternder Stimme. Er sprach davon, wie er Böden geschrubbt, „jeden miesen Job den es gab“ und „jede Nachtschicht, die ich finden konnte“ angenommen habe, um seine Ausbildung zu finanzieren.

Der größte Zugewinn der Republikaner seit 60 Jahren

Bei den Wahlen zum US-Repräsentantenhaus haben die Republikaner nach einer Prognose des Senders CNN den Demokraten von Präsident Barack Obama mindestens 60 Sitze abgenommen. Das wäre der größte Zugewinn der Opposition im US-Abgeordnetenhaus seit 1948. Für eine Mehrheit in der größeren Kammer des US-Kongresses hätten die Republikaner nur deutlich weniger zusätzliche Mandate benötigt.

Nach vorläufigen Ergebnissen halten sie künftig mindestens 238 der 435 Sitze im Abgeordnetenhaus, bisher waren es 178. Eine derart große Veränderung der Mehrheitsverhältnisse hatte es zuletzt vor 62 Jahren gegeben – damals gewannen die Demokraten 75 Sitze hinzu. Bei den Wahlen zum Senat haben Obamas Demokraten am Dienstag ihre Mehrheit dagegen voraussichtlich knapp behaupten können.

Im Kongress werden etliche Mitglieder der Tea-Party-Bewegung vertreten sein. Sie hatten Obama zuletzt massiv politisch und mit wüsten Beschimpfungen unter Druck gesetzt. Obama gratulierte Boehner und sagte nach Angaben des Weißen Hauses: Er habe die Hoffnung, mit den Republikanern „Gemeinsamkeiten zu finden, das Land vorwärts zu bringen und die Dinge für das amerikanische Volk zu erledigen“.

Die Tea Party übertönt ihre Niederlagen mit Gebrüll

Ein führender Politiker der Tea-Party-Bewegung, Rand Paul, sagte nach seinem Sieg bei der Wahl des Senatssitzes von Kentucky: „Heute Nacht gibt es eine Tea-Party-Flutwelle.“ In Nevada behauptete der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Harry Reid, seinen Sitz gegen die Tea-Party-Kandidatin Sharron Angle. Bei der Senatswahl in Delaware verlor Tea-Party-Kandidatin Christine O'Donnell gegen den demokratischen Kandidaten Chris Coons. Der bislang von Vizepräsident Joe Biden gehaltene Sitz bleibt damit der Partei Obamas erhalten. Eine empfindliche Schlappe erlitten die Demokraten in Illinois: Sie verloren dort den bis 2008 von Obama gehaltenen Senatssitz.

Die Demokraten behaupteten unter anderem in Connecticut einen Senatssitz, in dem die Republikaner aussichtsreich im Rennen lagen. In New York gewann nach Informationen der Nachrichtenagentur AP die demokratische Kandidatin Kirsten Gillibrand den Sitz, den sie von Außenministerin Hillary Clinton per Ernennung übernommen hatte. Ebenfalls in New York behauptete der demokratische Senator Charles Schumer seinen Sitz. In Vermont und Maryland triumphierten die demokratischen Bewerber Patrick Leahy und Barbara Mikulski.

Warum Mrs. Boxer so wichtig für Obama ist

Als möglicherweise entscheidend für den Erhalt der demokratischen Mehrheit im Senat galt der Sieg des demokratischen Kandidaten Joe Manchin in West Virginia und der demokratischen Amtsinhaberin Barbara Boxer in Kalifornien. Prestigeträchtig war auch die Wahl des Demokraten Jerry Brown zum Nachfolger von Gouverneur Arnold Schwarzenegger, der nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten durfte.

Im bevölkerungsreichsten Staat Kalifornien gewann Jerry Brown knapp gegen die Republikanerin Meg Whitman. Der 72-jährige Generalstaatsanwalt Kaliforniens kehrt nach 28 Jahren in das Gouverneursamt zurück, das er bereits von 1975 bis 1983 inne hatte. Seine Konkurrentin Whitman, eine Milliardärin und ehemalige Ebay-Chefin, hatte für ihren Wahlkampf eine Rekordsumme von mehr als 150 Millionen Dollar (107 Millionen Euro) ausgegeben.

In New York gewann der demokratische Kandidat Andrew Cuomo gegen den Bewerber der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung, Carl Paladino. Cuomo tritt damit in die Fußstapfen seines Vaters Mario, der von 1983 bis 1994 Gouverneur von New York war. Auch in den Staaten Maryland, New Hampshire, Massachusetts und Arkansas konnten die demokratischen Amtsinhaber ihre Posten verteidigen. Derzeit gibt es 26 demokratische und 24 republikanische Gouverneure.

Bei den Volksentscheiden lehnten die Wähler in Kalifornien eine Legalisierung von Marihuana in ihrem Bundesstaat ab. In Denver (US-Staat Colorado) wird es keine „UFO-Kommission“ geben. In Oklahoma sprachen sich die Wähler dafür aus, in ihrem Bundesstaat vorbeugend die Anwendung der islamischen Scharia zu verbieten. Im Rahmen der US-Kongresswahlen stimmten die US-Bürger über zahlreiche Volksentscheide in Bereichen wie Drogen, Klimawandel, Steuern oder Gesundheitsvorsorge ab.

Kalifornien hätte der erste kifferfreundliche US-Bundesstaat werden können, doch die Mehrheit lehnte die Legalisierung von Marihuana ab. Der Volksentscheid „Proposition 19“ sah vor, dass Bürger über 21 Jahren die Droge zum Genuss konsumieren und in kleinen Mengen anbauen dürften.

Skurrile Volksentscheide in den Staaten

Nach US-Bundesgesetzen ist Marihuana eine illegale Droge. Ein Dutzend Bundesstaaten, darunter Kalifornien, Oregon, Alaska und Hawaii, machen allerdings für medizinische Zwecke eine Ausnahme. Die Wähler in Arizona und South Dakota stimmten jetzt dagegen, auch in ihren Staaten Cannabis als Medikament für Patienten zuzulassen.

Umweltschützer in Kalifornien feierten die Niederlage von „Proposition 23“ und damit die Beibehaltung eines strikten Klimaschutzgesetzes. Die Initiative sah vor, das 2006 vom kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger unterzeichnete Gesetz zur Reduzierung von Treibhausgasen vorerst auszusetzen. Erst wenn die Arbeitslosenquote in dem von der Wirtschaftskrise stark gebeutelten Staat unter 5,5 Prozent rutsche, dürften die strikten Umweltauflagen wieder greifen, verlangten die Initiatoren. Das „Nein“ der Wähler war auch eine Absage an große Ölunternehmen, die den Volksentscheid mit Millionenspenden finanziert hatten.

Um uramerikanische Werte ging es den Wähler in Arkansas, South Carolina und Tennessee. Sie stimmten mit großer Mehrheit dafür, das Recht zu jagen und zu fischen in der Verfassung ihres Staates festzuschreiben.