Umfragen ließen erwarten, dass die Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren. Welchen Weg geht Amerika jetzt?
Washington. Bei den Kongresswahlen entscheiden die Wähler in den USA über die künftige Weichenstellung für die Politik ihres Landes bis zur Präsidentenwahl 2012. Die Demokraten von US-Präsident Barack Obama mussten sich auf herbe Verluste einstellen. Die Republikaner wollten die „Midterm Elections“ zum Referendum über die von der Wirtschaftskrise und einer steigenden Arbeitslosigkeit geprägte bisherige Amtszeit Obamas machen.
Umfragen ließen erwarten, dass die Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren. Dort stehen alle 435 Abgeordnetenmandate zur Wahl, und die Republikaner brauchen für eine Mehrheit 40 zusätzliche Sitze. Gewählt werden außerdem 37 der insgesamt 100 Senatoren. Hier müssten sich die Republikaner zehn weitere Mandate sichern – dieses Rennen gilt als knapper. Ohne eine Mehrheit seiner Demokraten im Kongress würde es für Obama künftig noch schwieriger, politische Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Zur Wahl standen am Dienstag außerdem zahlreiche Gouverneursposten. Zudem sind in 37 Staaten Einzelabstimmungen anberaumt, in Kalifornien etwa zur Legalisierung von Marihuana. In Oklahoma stimmen die Wähler über eine Vorlage ab, wonach sich Staatsgerichte bei Urteilen nicht auf internationales oder islamisches Recht stützen dürfen.
Den Demokraten bläst ein rauer Wind ins Gesicht, weil die schleppende Erholung der Wirtschaft viele Amerikaner beunruhigt. Die Arbeitslosigkeit in den USA beträgt rund 10 Prozent, außerdem haben Millionen Amerikaner durch die Finanzkrise ihre Häuser und damit oft auch ihre gesamten Ersparnisse verloren.
Obama hatte sich im Wahlkampf vergeblich darum bemüht, die Zwischenwahlen nicht als Referendum über seine ersten beiden Amtsjahre wirken zu lassen. Dagegen sagte der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell: „Bei dieser Wahl geht es komplett um ihn (Obama) und diese große Mehrheit im Kongress und was sie in den vergangenen zwei Jahren getan haben.“ Die Demokraten machen – ebenfalls weitgehend vergeblich – geltend, sie hätten die schlechte Wirtschaftslage bereits von der Vorgängerregierung von George W. Bush geerbt und einen völligen finanziellen Zusammenbruch verhindert.
US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte, Obama werde vermutlich selbst bei den erwarteten großen Gewinnen der Republikaner an seiner Innen- und Außenpolitik festhalten. Der „politische Wind“ blase zwar ordentlich, aber der Präsident werde ein beständiger Kapitän des Schiffs bleiben, sagte sie am Dienstag bei einem Besuch in Malaysia. Eine große Rolle wird bei den Wahlen die erzkonservative Tea-Party-Bewegung spielen, die sich von einer Randerscheinung weiter ins Zentrum der amerikanischen Politik vorgearbeitet hat. Mit ihrer Forderung nach Ausgaben- und Steuerkürzungen und einem Abspecken des Regierungsapparats steht sie den Republikanern nahe. Ihre Ikone ist Sarah Palin, die frühere Gouverneurin von Alaska und ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin.
Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Hans-Ulrich Klose, geht davon aus, dass Obama nach der Zwischenwahl stärker auf die Außenpolitik setzen wird. Wenn der US-Präsident in der Innenpolitik nicht mehr allzu viel bewegen könnte, dann könnte er sich stärker auf die Außenpolitik stürzen, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in einem Deutschlandfunk-Interview. Zudem rechnet Klose damit, dass Obama die eigene Wirtschaft künftig noch stärker stützen wird.