Vor 20 Jahren haben sich West- und Ost-CDU vereinigt. Alt-Kanzler Kohl gibt CDU-Chefin Merkel den Rat: Die Partei muss sich treubleiben.

Berlin. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat die CDU 20 Jahre nach der Einheit davor gewarnt, ihre Wurzeln zu verlieren und beliebig zu werden. Er sei zwar voller Optimismus, sagte der 80- Jährige am Freitag in Berlin bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte. „Aber ich bin auch skeptisch, wenn ich sehe, wie die Tagespolitik zunehmend unser Programm bestimmt und wie unsere Positionen immer kürzere Gültigkeiten haben.“

Kohl warnte: „Wir dürfen uns von den Menschen nicht entfremden.“ Die geplante Aussetzung der Wehrpflicht sieht er skeptisch. „Nach allem, was ich höre und was ich lese, kann ich nicht erkennen, dass sich die Welt in den vergangenen Jahren so verändert hat, dass die Wehrpflicht nicht mehr möglich sein soll. Ich füge hinzu: wenn man sie will.“ Nach jahrelanger Entfremdung zollte er seinem früheren Weggefährten und heutigen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausdrücklich Lob und zeigte sich versöhnlich.

CDU-Chefin Angela Merkel verteidigte den Kurs der Partei. „Wir sind die Volkspartei der Mitte“, sagte die Kanzlerin bei einem Empfang in Berlin zur Erinnerung an den Vereinigungsparteitag der Ost- und West-Partei vor 20 Jahren in Hamburg. In der CDU schwelt eine Profildebatte. Kritiker halten Merkel vor, sie vernachlässige den konservativen Flügel. Die Parteichefin sagte, die CDU sei keiner Ideologie verpflichtet, keiner sozialen Klasse und keiner Gruppe. „Sondern wir sind den Menschen und unserem Land verpflichtet.“

Kohl mahnte, die Partei solle sich nicht einreden lassen, dass konservativ und fortschrittlich Gegensätze seien. Dies seien zwei Seiten einer Medaille. Die CDU müsse Entscheidungen verantwortungsbewusst treffen, an Grundwerten festhalten und erkennbar sie selbst bleiben. „Wir müssen aufgeschlossen sein für Neues, wir dürfen aber nicht mit dem Wind gehen.“ Die CDU sei und bleibe eine Volkspartei. Sie sei offen für alle Menschen in allen Schichten und Gruppierungen. Die CDU sei kein Auslaufmodell, sie bleibe ein Zukunftsmodell.

Merkel betonte, die CDU sei bereit, Verantwortung zu übernehmen und unbequeme Entscheidungen zu treffen, weil sie von ihrem Handeln überzeugt sei. „Und wer von einer Sache überzeugt ist, der fällt bei Gegenwind auch nicht um.“ Das christliche Menschenbild sei der Kompass und das „einigende Band aller in der CDU“.

VORFREUDE AUF DEN FESTAKT

Merkel dankte Kohl für seine Verdienste um die Wiedervereinigung vor 20 Jahren. Er habe nicht aufgehört, bei den Partnern Deutschlands im Ausland auf das Unrecht in der DDR hinzuweisen „und für das Recht unserer Nation auf die Einheit zu werben, als andere sich mit der Teilung unseres Landes abfinden wollten“.

Das SED-Regime in der DDR hat den Worten Merkels nur auf der Unterdrückung der Freiheit gebaut. „Ich nenne deshalb die DDR ohne Wenn und Aber einen Unrechtsstaat.“ Dieser Unrechtsstaat sei friedlich von mutigen Menschen in Ost und West überwunden worden. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, die CDU habe sich nie mit der Teilung Deutschlands abgefunden. „Wir haben an die Einheit geglaubt. Wir haben dafür gekämpft. Und wir haben Recht behalten.“