In der Koalition brodelt es: Die CDU erwägt höhere Abgaben für Reiche - zum Ärger der FDP. Sie fordert von Kanzlerin Merkel “Ordnung“ zu schaffen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ein Ende der Spardebatte gefordert. Sie werbe dafür, „das jetzt so zu nehmen, wie es ist, und das erst einmal in die Realität umzusetzen“, sagte sie. Eine Forderungen, die in der Koalition wenig beherzigt wird. Vor allem in der FDP brodelt es weiter angesichts der Forderungen aus der CDU nach Anhebung des Spitzensteuersatzes und Aufschlägen bei der ermäßigten Mehrwertsteuer. Die FDP verlangt nun ein Machtwort von Merkel. „Die Bundeskanzlerin muss Ordnung in die CDU bringen“, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner der „Bild“-Zeitung. In der Krise würden Steuererhöhungen das Wachstum abwürgen, warnte er.
Allerdings scherte Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki aus der Reihe der FDP aus. Er hat seine Forderung bekräftigt, den Reichensteuersatz von 45 auf 47,5 Prozent zu erhöhen. „Wir brauchen eine Erhöhung dieses Satzes auf 47,5 Prozent, damit wir den Mittelstandsbauch abflachen können“, sagte Kubicki dem Hamburger Abendblatt (Donnerstag-Ausgabe). „Sollten wir keine grundlegende Steuerreform bekommen, muss mindestens dieses Problem angegangen werden“, begründete er seinen Vorstoß. „Die Mittel müssen also im System bleiben“, stellte der FDP-Politiker zugleich klar. Kubicki betonte: „Jede Entlastung hilft – gerade jenen, die die Hauptlast zu tragen haben. Und das ist die Mittelschicht.“
Dagegen warnte Jörg Bode (FDP), Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident in Niedersachsen, vor Einkommenssteuererhöhungen. Er sagte dem Hamburger Abendblatt: „Angesichts der aufgeheizten Stimmung halte ich es zurzeit für wenig sinnvoll, stündlich neue Vorschläge zum Sparpaket zu machen und so den Blick auf das große Ziel der Koalition zu verbauen.“ Die Bundesregierung habe mit dem Sparpaket ein deutliches Signal gegeben, „dass sie willens und in der Lage ist, die Staatsfinanzen für unsere Kinder und Enkel zu sanieren“, sagte Bode weiter. In den kommenden Jahren stünden den Deutschen „noch mehr Reformen und Prioritätensetzungen“ bevor, gab der Minister zu bedenken.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wandte sich ebenfalls dagegen, das Sparpaket wieder aufzuschnüren. Die Haushaltsklausur sei eine „Nagelprobe“ für Schwarz-Gelb gewesen, sagte sie der „Frankfurter Rundschau“. „Und es gehört sich, dass alle zum Ergebnis stehen.“ Die Regierung belaste die Wirtschaft, nehme den Staat zurück und verändere die Sozialsysteme. Den Vorwurf einer mangelnden sozialen Balance wies sie zurück. „Keinem Arbeitslosen ist geholfen, wenn dieser Staat pleitegeht oder sich die Schuldenspirale in eine Inflation weiterdreht.“ Die Regierung verlagere den Schwerpunkt. „Statt Langzeitarbeitslosigkeit zu finanzieren, konzentrieren wir uns auf die Bildung.“
Scharfe Kritik am Sparpaket kam erneut von der Opposition. Die Pläne der Bundesregierung zur Haushaltssanierung seien mut- und konzeptlos, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, im Bayerischen Rundfunk. Der Staat greife nur ins Portemonnaie derer, die wenig haben, wie zum Beispiel Hartz-IV-Empfänger. Ihnen werde das Elterngeld gestrichen und die Beiträge für die Rentenkasse. „Richtig unmutig“ sei das Konzept der Regierung, wenn es um Reiche und die Wirtschaft gehe.
Künast forderte die Abschaffung bestimmter Privilegien. „Wozu zahlen wir dieses Dienstwagenprivileg, wo man für Riesendienstwagen noch 50.000 Euro hinterher geworfen bekommt, statt auch dort eine ökologische Regel einzuführen?“, fragte sie. Gleiches gelte für das Ehegattensplitting, das in erster Linie kinderlose Paare bevorzuge.
Die geplante Brennelementesteuer bezeichnete Künast als „schmutziges Scheingeschäft“. Geplant seien Einnahmen von gut zwei Milliarden Euro jährlich bei gleichzeitiger Laufzeitverlängerung für „Schrottreaktoren, die ständig Zwischenfälle haben“. Künast kündigte „monatelange Kämpfe“ an, um Nachbesserungen durchzusetzen.
Das Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise“ rief zu bundesweiten Demonstrationen am Samstag in Stuttgart und Berlin auf. Christina Kaindl, eine Sprecherin, erklärte: „Das Kürzungsprogramm ist eine Kampfansage an Erwerbslose, Beschäftigte, Rentner und andere sozial schwache Gruppen. Sie sollen die Zeche zahlen für die Krise und die Bankenfinanzierung. Dagegen rufen wir zu entschlossenen Protesten auf.“