Das mit Spannung erwartete Duell zwischen Ministerpräsident Rüttgers und Herausforderin Kraft entpuppte sich als Langweiler.
Köln. „Bloß keinen Fehler machen“ – dieser Gedanke scheint Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft auf die Stirn geschrieben, als sie um kurz nach 20 Uhr Aufstellung beziehen. Schauplatz ihres einzigen TV-Duells in diesem Landtagswahlkampf ist die Vulkanhalle in Köln-Ehrenfeld. Das Industriegelände des ehemaligen Arbeiterviertels ist vielleicht die einzige Stelle, wo NRW über einen vergleichbaren Coolness-Gehalt verfügt wie Berlin-Kreuzberg. Am Wochenende treten in den gekonnt heruntergekommenen Fabrikhallen Europas führende DJs auf. Aber auf die beiden Spitzenkandidaten scheint das nicht abzufärben. Sie geben sich locker bis zur Verkrampfung. Die Anspannung ist ihnen deutlich anzusehen. Wochenlang sind sie nun schon durchs Land getourt. Es gab wenige Anlässe, zu denen sie nicht das Wort ergriffen hätten. Und doch können sie an diesem Abend weit mehr Menschen erreichen als auf allen Plätzen des bevölkerungsreichsten Bundeslandes.
Sie sind sich dessen bewusst, das sieht man. Die Angreiferin Kraft trägt einen roten Blazer und steht auf einem kleinen Podest, um gegen den langen Rüttgers nicht zu weit abzufallen. Die erste Frage geht an sie. Thema Griechenland. Wie will sie die komplizierte Materie den Bürgern erklären? „Die Banken sind auf jeden Fall wieder bei der Zockerei dabei gewesen“, sagt sie. Deshalb müssten die auf jeden Fall auch mitbezahlen. Rüttgers antwortet staatsmännischer: „Es gibt ein nationales Interesse, das wir haben, dass es in Griechenland nicht zum Staatsbankrott kommt. Insofern werden wir helfen, aber kein Blankoscheck!“
So geht es weiter. Statements werden abgefragt, am längsten noch zur Schulpolitik, weil das ja auch der Bereich ist, in dem Landesregierungen noch am ehesten in das Leben der Menschen eingreifen können. Was Rüttgers und Kraft von sich geben, wirkt streckenweise auswendig gelernt. Sie haben das alles ja auch schon hundert mal gesagt. Die Ausführungen wirken bekannt, aber andererseits sind sie dem Normalbürger womöglich unverständlich: Ewigkeitslasten, Rettungsschirm für Kommunen, erster Arbeitsmarkt, Tarifautonomie – was solche Begriffe bedeuten, wird vorausgesetzt. Hat man übrigens je von einem Duell gehört, bei dem sich die Kontrahenten nicht in die Augen sehen, sondern nebeneinander stehen? Wenn der eine den anderen direkt ansprechen will, muss er sich zur Seite drehen. Rüttgers verlegt sich aufs Landesväterliche. Kein böses Wort von ihm. Wenn er seine Herausforderin kritisiert, hört sich das eher an wie ein Lehrer, der einen widerspenstigen Schüler zum wiederholten Male auf einen Fehler hinweist.
„Frau Kraft, ich weiß nicht, warum Sie immer falsche Zahlen bringen.“ Einmal erkundigt er sich sogar, ob sie ihm folgen kann: „Sie wissen, was das ist?“ In solchen Fällen wirkt Kraft ein klein wenig irritiert, aber im nächten Moment lächelt sie schon wieder. Der einzig interessante Moment kommt am Ende, wenn es um mögliche Koalitionen geht – also um die Machtfrage. Da versteinert sich das Gesicht von Jürgen Rüttgers zwischenzeitlich, und Kraft hat Mühe, sich den bohrenden Fragen der Journalisten zur Linkspartei zu erwehren, ob sie denn nun definitiv ein Bündnis mit der Linken ausschließt. Sie bekräftigt, die NRW-Linke sei nicht regierungsfähig, eine klares Nein kommt ihr aber nicht über die Lippen.
Dann das Schlussstatement. Beide sprechen nacheinander in die Kamera. Man hört bei Kraft etwas von „keine Ellbogen-Gesellschaft“ und „Bildung für alle“, bei Rüttgers auch „Bildung für alle“ und „gut durch die Krise“. Verdächtig schnell verteilt die CDU danach eine Pressemitteilung, auf der steht „Klarer Punktsieg für Jürgen Rüttgers“. Josef Wirges, Ehrenfelder Bezirksbürgermeister und SPD-Urgestein, sieht es genauso, nur umgekehrt natürlich: „3:1 für Hannelore“. Und jetzt mal unabhängig von den Personen – war's spannend? „Naja, so richtig nicht“, sagt Wirges. „Aber ist ja auch keine Bundestagswahl.“