Die Koalitionsspitze will nach den Äußerungen von Guido Westerwelle die Debatte entschärfen. Das Treffen soll am Mittwoch stattfinden.
Hamburg. Die Spitzen von Union und FDP wollen die heftige Debatte in der Koalition über den Missbrauch des Sozialstaats bei einem neuen „Dreier-Gipfel“ entschärfen. FDP-Chef Guido Westerwelle stößt mit seiner Forderung nach harten Sanktionen gegen arbeitsunwillige Hartz IV-Bezieher auf wenig Gegenliebe bei der CDU-Führung. Die Arbeitsmarktreform Hartz IV werde am Mittwochabend Thema des Treffens von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer sein, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag in Berlin. Er machte deutlich, dass Merkel die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten für ausreichend hält. Westerwelle will Leistungsempfänger zu Arbeit verpflichten - etwa zum Schneeschippen -und ihnen ansonsten die Mittel kürzen.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zeigte sich davon wenig angetan: Maßnahmen für Arbeitsuchende müssten „zu einem Ziel führen“. Dieses sei beim Schneeschippen nicht erkennbar - vor allem nicht für junge Menschen, denen man eine Perspektive bieten müsse, sagte die Ministerin.
Wilhelm betonte, gemeinnützige Arbeiten wie Schneeschippen dürften reguläre Arbeit nicht verdrängen. Langzeitarbeitslose könnten von den Kommunen bestenfalls gegen Aufwandsentschädigung - also als Ein-Euro- Jobber - zum Winterdienst eingesetzt werden. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, setzte sich ebenfalls kritisch mit Westerwelle auseinander und warf diesem „Publikumsbeschimpfung“ vor. „Das Thema Missbrauch ist kein Thema, das man pauschal ansprechen kann“, sagte Weise. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe äußerte sich ähnlich: „Es verbietet sich aus unserer Sicht ein Generalverdacht“.
Die FDP kündigte in Kürze Vorschläge zur Hartz-IV-Reform an. Neue Sanktionsmöglichkeiten für den Missbrauch von Sozialhilfe gehörten nicht dazu, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Ziel sei es vielmehr, die Effizienz des Sozialstaats zu erhöhen. Die FDP wolle die Zusatz-Verdienstmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose verbessern, die Sozialbeiträge für Geringverdiener langsamer als bisher anheben und bei Bildungsausgaben für Kinder mehr auf Sachleistungen setzen. Lindner forderte die CDU zu eigenen Vorschlägen auf.
Regierungssprecher Wilhelm verwies auf die geltende Rechtslage: „Es gibt einen umfangreichen Katalog an Sanktionsmöglichkeiten.“ Bei der ersten Pflichtverletzung würden die Bezüge um 30, bei der zweiten um 60 Prozent gekürzt. Danach falle die Unterstützung ganz weg. Bei Erwerbslosen unter 25 Jahren geschehe dies sofort, wenn sie zumutbare Arbeit ablehnten. Allerdings setzten die Verwaltungen der Länder die Rechtslage unterschiedlich um. Auch darüber müsse gesprochen werden. Im Bundestag sollen Bemühungen laufen, eine für diesen Donnerstag geplante Aktuelle Stunde zu den Auseinandersetzungen über die Leistungen des Staates für Hilfebedürftige zu einer mehrstündigen Generaldebatte auszuweiten. Auch die FDP habe daran großes Interesse.
Wie Merkel setzen führende CDU-Politiker darauf, die Sanktionsmöglichkeiten konsequent anzuwenden. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, es gebe bereits Regelungen, Hartz-IV- Empfänger zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen und Bezüge bei Verweigerung zu kürzen. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte, es stelle sich allerdings die Frage nach der sinnvollen Umsetzung. Sie sei oft nur unzureichend beantwortet worden.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt verlangte, die Sanktionen gegen Arbeitsunwillige nach bayerischem Vorbild umzusetzen. „Das muss künftig überall in Deutschland so hart sanktioniert werden wie in Bayern“, sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Montag). Grünen-Chef Cem Özdemir warf Westerwelle vor, er instrumentalisiere den Sozialstaat und die Debatte darum, „um eine Missgunstdebatte zu erzeugen.“ Die Forderung nach Einsätzen zum Schneeschippen zeige die Ideenlosigkeit der FDP.