Mit seiner Hartz-IV-Kritik löste FDP-Chef Westerwelle eine Welle der Empörung aus. Seine Parteikollegen haben jetzt nachgelegt.
Seit Tagen hagelt es Kritik für FPD-Chef Guido Westerwelle, weil er sich immer wieder kritisch zu Hartz IV äußerte. Ihn schreckt dies genauso wenig ab wie seine Parteikollegen. Sie haben in der Debatte um das deutsche Sozialsystem noch einmal nachgelegt. Der Wohlfahrtsstaat habe Eigenverantwortung entbehrlich gemacht, Aufstiegswillen gebremst und Mitmenschlichkeit durch anonyme Rechtsansprüche ersetzt, schrieb FDP- Generalsekretär Christian Lindner in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. „In einem der am besten finanzierten Wohlfahrtssysteme sind viele Menschen dauerhaft von Arbeit und Bildung ausgesperrt. Obwohl soziale Zwecke bald ein Drittel der Wirtschaftsleistung beanspruchen, werden Sozialhilfekarrieren erblich“, so Lindner. Die Sozialpolitik müsse zu Beschäftigung aktivieren.
Hartz IV: Ein Urteil und seine Folgen: Was man wissen muss
Hintergrund der Debatte ist das Urteil der Verfassungsrichter vom 9. Februar. Sie hatten die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für verfassungswidrig erklärt. Die Bundesregierung muss sie nun bis zum 31. Dezember neu regeln. Wie hoch die Sätze sein sollen, legten die Richter nicht fest. In der FDP gibt es aber Überlegungen sie zu senken. Der Bundestagsabgeordnete Martin Lindner sagte der „Hannoverschen Allgemeinen“: „Das Verfassungsgericht hat uns die Aufgabe gestellt, die Hartz-IV-Sätze nachvollziehbar neu zu berechnen. Wir führen in der FDP-Fraktion die Diskussion, wie wir dabei die Anreize, in Arbeit zu kommen, stärken. Wir wollen Aufstockern ermöglichen, mehr hinzu zu verdienen. Dabei wird auch darüber zu sprechen sein, ob man nicht im Gegenzug die Regelsätze absenken muss, damit Vollbeschäftigte besser dastehen als Teilzeitjobber.“ Lindner sprach sich für gezielte Sachleistungen für Kinder aus. Man solle jetzt nicht so viel Geld ins System geben, „dass es am Ende attraktiv wird, übers Kinderkriegen Geld zu verdienen“, sagte der Wirtschaftspolitiker.
Die Kritik an der FDP riss indes nicht ab. Am Mittwoch hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Vizekanzler Westerwelle erstmals auch persönlich für seine Äußerungen in der Sozialstaats-Debatte öffentlich kritisiert. Die CDU interessiere sich als Volkspartei „nicht nur für Gruppen, sondern für alle“, sagte die CDU-Vorsitzende mit Blick auf die FDP. „Ich habe klargemacht, dass das, was Guido Westerwelle gesagt hat, nicht meine Worte sind. Das ist nicht mein Duktus“, betonte Merkel bei einem Auftritt zum Politischen Aschermittwoch in Demmin (Mecklenburg-Vorpommern).
Der stellvertretende Vorsitzende der IG Metall, Detlev Wetzel, sagte, Lohnabstände zwischen Arbeitenden und Empfängern staatlicher Hilfe seien grundsätzlich richtig. Westerwelle versuche jedoch, aus Opfern Täter zu machen. „Erst werden 20 Prozent der Leute in den Niedriglohnsektor gezwungen, andere werden arbeitslos, dann drückt man die Löhne und wirft den Menschen schließlich vor, dass der Lohnabstand nicht eingehalten wird“, sagte Wetzel der „Braunschweiger Zeitung“. „Ein größeres Maß an Heuchelei habe ich noch nicht erlebt.“