Mit heiserer Stimme ergriff Angela Merkel am politischen Aschermittwoch das Wort und zog mit Blick auf Westerwelles Rede vom Leder.

Berlin. Jedes Jahr am Aschermittwoch rechnen die Parteien mit dem politischen Gegner ab. Im Fernduell stand dieses Mal vor allem FDP-Chef Guido Westerwelle in der Schusslinie.

Die Kanzlerin trat zum Schluss auf. Der Politische Aschermittwoch ist schon fast vorbei, als CDU-Anhänger Parteichefin Angela Merkel im Nordosten Deutschlands mit „Angie“- Rufen empfangen und singen: „Hoch soll sie leben!“.

Mit heiserer Stimme ergreift Merkel das Wort und stellt mit Blick auf die Reden der Vorsitzenden ihrer Koalitionspartner CSU und FDP, Horst Seehofer und Guido Westerwelle, in Bayern nüchtern fest: „Wir haben schon viel gehört aus Passau und Straubing. (...) Wenn die anderen fertig sind, fangen wir erst an, und es heißt, die Letzten werden die Ersten sein.“

Und dann zieht die Bundeskanzlerin, der aus den eigenen Reihen oft ein „präsidialer Führungsstil“ vorgehalten wird, vom Leder. In aller Öffentlichkeit rügt sie nun auch persönlich ihren Vizekanzler. „Ich habe klargemacht, dass das, was Guido Westerwelle gesagt hat, nicht meine Worte sind“, sagt Merkel bei ihrem traditionellen Auftritt in Demmin (Mecklenburg-Vorpommern). Westerwelle hatte in der Debatte über angemessene Hartz-IV-Bezüge Empörung mit dem Satz ausgelöst: „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.“

Dass sich ausgerechnet die beiden Wunschpartner Union und FDP so in die Haare geraten, hat wohl nicht einmal die in die Opposition verbannte SPD zu hoffen gewagt. Bei so viel Zwist in der Regierung dringt sie mit ihrer Kritik kaum durch, weiß auch SPD-Chef Sigmar Gabriel. So giftet er geradezu in Vilshofen: „Angela Merkel ist keine Präsidialkanzlerin. (...) Sie ist Trivialkanzlerin.“ Und sie sei eine „Biederfrau bei den Brandstiftern, weil sie Westerwelle Benzin habe ins Haus tragen lassen und sich nun wundere, dass der Dachstuhl brennt. Doch Gabriels Attacke ist am Abend fast schon Schall und Rauch.

Dass der von Seehofer, Merkel und dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle erst kürzlich vereinbarte Neustart nicht lange währen würde, hatten Mitstreiter gleich befürchtet. Denn am 9. Mai ist im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen Landtagswahl.

Dort steht eine schwarz-gelbe Landeskoalition auf dem Prüfstand, und die Umfragen sagen derzeit keine „Versetzung“ in die nächste Landesregierung voraus. Da wollen sich beide Lager profilieren und dem Wähler empfehlen. Aus der CDU verlautete bereits, dass auch ein Bündnis mit den Grünen denkbar wäre. In Passau kämpft der bayerische Ministerpräsident Seehofer am Morgen rund 100 Minuten um die Seele der „versammelten schwarzen Gemeinde“ und rühmt die dortige CSU-Demonstration als einzigartig. Nirgends gebe es eine vergleichbare Veranstaltung – auch nicht im „Merkel-Land Mecklenburg-Vorpommern“, tönt er da noch.

Am Aschermittwoch liegt das politische Epizentrum in Bayern, heißt es. Doch während ein echtes Erdbeben die größten Schäden in der Nähe des Epizentrums anrichtet, trifft es am Aschermittwoch stets das entfernte Berlin. Und Schwarz-Gelb macht sich die Druckwellen wieder selbst, auch wenn die Spitzen nicht großüber das hinausgehen, was sich die Koalitionäre schon an den Kopf geworfen haben.

„Das ist kein Tsunami, das ist nur eine Westerwelle“, spottet Seehofer über selbstbewusste Äußerungen des FDP-Vorsitzenden über seinen künftigen Umgang mit der CSU. Und der CSU-Chef macht sich lustig: „Da beben die Alpen.“ Für manchen Zuhörer passt das Bild aber wahrhaftig auch ein wenig zur Lage in Bayern. Die CSU hat weiter mit dem Debakel um die Landesbank und den Folgen des Absturzes bei der Bundestagswahl zu kämpfen und muss Vertrauen der Bürger noch zurückgewinnen.

Westerwelle empfiehlt sich in Straubing nüchtern als Politiker mit zwei Seiten: „Ich bin als Außenminister im Ausland zur Diplomatie verpflichtet. Im Inland gehöre ich weiterhin dem Verein der klaren Aussprache an.“ Das darf als Warnung verstanden werden. Hessens FDP- Chef Jörg-Uwe Hahn sieht Schwarz-Gelb im Bund bereits bedroht: „Ich glaube, dass es jetzt fünf vor zwölf für die Berliner Koalition ist.“

Lafontaine wirft Bundesregierung Verlogenheit vor

Der Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine hat der Bundesregierung Verlogenheit in der Hartz-IV-Debatte vorgeworfen. Beim Politischen Aschermittwoch der Linken im saarländischen Wallerfangen sagte Lafontaine, FDP-Chef Guido Westerwelle habe jetzt „die Kellnerin mit zwei Kindern“ entdeckt, die seiner Meinung nach weniger habe als eine Hartz-IV-Empfängerin mit zwei Kindern.

Westerwelle sei unglaubwürdig. Die Senkung der Mehrwertsteuer für Hoteliers und der Erbschaftssteuer nütze der Kellnerin gar nichts. „Hört doch auf mit der Heuchelei, ihr wollt die sozialen Kürzungen vorbereiten, um die Reichen in dieser Republik wieder besser zu bedienen“, rief Lafontaine. Union und FDP verschwiegen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ihre Kürzungspläne im Sozialbereich, „mit denen die Bevölkerung für die Verbrechen bezahlen soll, die die Banken begangen haben.“

Der FDP warf Lafontaine Klientelwirtschaft vor: „Es kann doch nur ein Blöder glauben, dass die Spende von Mövenpick an die FDP geflossen sei aus reiner demokratischer Grundüberzeugung. Die ist geflossen als ein Dankeschön für die politischen Entscheidungen dieser Partei. Wir müssen Spenden an Parteien und einzelne Abgeordnete verbieten, damit die Käuflichkeit der Politik in Deutschland endlich beendet wird.“