Beim politischen Aschermittwoch ging es wieder hoch her. Vor allem FDP-Chef Westerwelle lieferte die Munition für das Fernduell der Parteien.
Jedes Jahr am Aschermittwoch rechnen die Parteien mit dem politischen Gegner ab. Im Fernduell stand dieses Mal vor allem FDP-Chef Guido Westerwelle in der Schusslinie. Kaum betrat er beim politischen Aschermittwoch seiner Partei in Straubing die Bühne, lieferte er auch schon wieder neue Munition für seine Gegner und schlug in dieselbe Kerbe wie seit Tagen. „Ausgesprochen werden musste, was auszusprechen war“, sagte er vor 700 Gästen. „Das Volk will die Wahrheit hören.“
Westerwelle hatte in der Debatte über die Höhe der Hartz-IV-Sätze davor gewarnt, wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, lade zu „spätrömischer Dekadenz“ ein. Zudem kritisierte er, dass die Hartz-IV-Diskussion „sozialistische Züge“ trage. Inhaltlich bekräftigte Westerwelle seine Position: „Der Sozialstaat ist für die Bedürftigen da, für die zahlen wir auch gerne Steuern.“ Man müsse die Schwachen aber „vor den Faulen“ und „vor den Findigen“ schützen. Trotz des Dauerzwists mit der CSU erwähnte er deren Chef Horst Seehofer aber nicht ein einziges Mal.
Auch Seehofer ließ den oft gescholtenen Koalitionspartner FDP glimpflich davonkommen. „Ich würde mir manchmal wünschen, dass die Freien Demokraten – und auch mein Freund Guido – in einigen Bereichen ein wenig mehr Gelassenheit mitbrächten“, sagte Seehofer in Passau. Nur Spott hatte Seehofer indes für Westerwelles Drohung an die CSU übrig, er könne auch anders. „Da wackeln die Alpen, da schäumt der Chiemsee“, spottete Seehofer unter dem Jubel der 3.500 CSU-Anhänger: „Aber keine Angst, das ist kein Tsunami, das ist nur eine Westerwelle.“
In der Debatte um die Hartz-IV-Sätze zog Seehofer in Passau eine scharfe Grenze zwischen Solidarität und Sozialismus: „Wer Arbeit ablehnt, hat keinen Anspruch auf Solidarität.“ Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei es nun dringend geboten, neue und empirisch belegbare Bedarfssätze festzulegen. Er kenne kein Gesetz, das „so schlampig ausgeführt“ worden sei wie die Hartz-Gesetzgebung unter der früheren rot-grünen Bundesregierung.
Wesentlich härter als Seehofer ging der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit Westerwelle ins Gericht. Der FDP-Chef führe nichts anderes im Schilde, als von real existierenden Problemen abzulenken und Arbeitslose als Grund für den Untergang der deutschen Wirtschaft darzustellen. Doch diese Position sei „weder christlich noch liberal“, fügte Gabriel hinzu. „Über 90 Prozent der Menschen, die eine Stütze brauchen, wollen arbeiten“, hielt er Westerwelle entgegen. Die „wahren Asozialen“ in Deutschland seien Bürger, „die subventionierte Theater besuchen, aber dann ihr Kapital ins Ausland verfrachten“. Unter Anspielung auf Widerstand aus der FDP gegen den Ankauf der in der Schweiz gestohlenen CD mit Daten von 1.500 mutmaßlichen Steuerbetrügern fügte der SPD-Chef hinzu: „Die FDP ist keine Partei der Freiheit, sondern eine, die Steuerhinterzieher entkommen lässt.“ Westerwelle fungiere dabei als „Dienstbote derjenigen, die sich den Staat in Deutschland zur Beute machen wollen“.
Die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast bedachte die schwarz-gelbe Koalition ebenfalls mit Hohn und Spott beim Politischen Aschermittwoch der Grünen im schwäbischen Biberach. Nach elf Jahren Verlobungszeit und 100 Tagen an der Regierung stehe fest: „Aus dieser Ehe wird nichts mehr“, rief Künast vor rund 700 Zuhörern aus. Auf die großen politischen Fragen habe die Regierung keine Antwort. Auch Künast griff besonders Westerwelle scharf an. Er mache das einzige was er könne: „Zuspitzen, spalten und hetzen“, erklärte sie auch mit Blick auf seine massive Kritik an Hartz-IV-Empfängern.
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sieht in FDP-Chef Guido Westerwelle den „größten anzunehmenden Unfall“ (GAU) für die Bundesregierung. Mit seiner Kritik am Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts spiele Westerwelle Geringverdiener und Hartz-IV-Empfänger gegeneinander aus, sagte die designierte Parteivize der Linken beim politischen Aschermittwoch in Tiefenbach nahe Passau. Das Problem seien nicht die Hartz-IV-Sätze. „Der Skandal sind die Hungerlöhne.“