FDP-Generalsekretär Christian Lindner kritisiert die Vorgängerregierung von Union und SPD. Dieser sei nicht um Problemlösung, sondern nur um Gesichtwahrung gegangen.
Hamburg. abendblatt.de: Herr Lindner, die FDP will eine Großreform des Gesundheitswesens durchsetzen; den Umbau zu einem einkommensunabhängigen Prämienmodell. Widerstand gibt es vor allem bei der CSU. Wird das noch was in dieser Legislaturperiode?
Christian Lindner: Die von der Koalition beschlossene Neuordnung des Systems ist alternativlos. Die aktuelle Debatte um die geplanten Zusatzbeiträge einiger Kassen beweist, dass unser Gesundheitswesen überbürokratisiert und unfair ist. Wir brauchen noch in dieser Legislaturperiode den Einstieg in ein wettbewerbliches Prämienmodell, das den Solidarausgleich auf eine breitere Grundlage stellt.
abendblatt.de: Was ist von den Kassen zu halten, die jetzt mehr Geld verlangen?
Lindner: Ich kann die Lage einzelner Kassen nicht beurteilen, die möglicherweise jetzt in Finanzierungsnöten sind. Aber ich ärgere mich über das System, das uns Ulla Schmidt hinterlassen hat. Es ging der Großen Koalition doch nicht um Problemlösung, sondern nur um Gesichtwahrung. Das rächt sich nun. Die Folge ist, dass die acht Euro Zusatzbeitrag von allen gesetzlich Versicherten bei den betroffen Kassen bezahlt werden müssen; unabhängig von deren Leistungsfähigkeit. Das ist genau das, was wir nicht wollten.
abendblatt.de: Wie wollen Sie Ihr Prämienmodell durchsetzen?
Lindner: Ich sehe nicht, dass es eine andere Lösung gibt. Die staatliche Einheitsversicherung der SPD, die bald die freie Arzt- und Therapiewahl beenden würde, ist es jedenfalls nicht. Der Status quo ist ebenfalls unzureichend. Ich vertraue auf den Gesundheitsminister. Philipp Rösler ist endlich der richtige Mann am richtigen Ort, um die nötige grundlegende Reform auf den Weg zu bringen. Er hat als Mensch immer für Solidarität gestanden und sie eingefordert. Er hat als Arzt ein tieferes Verständnis von Heilung und Vorsorge als alle seine Amtsvorgänger. Und als ehemaliger Landeswirtschaftsminister in Niedersachsen weiß er, wie man mit Geld umgeht.
abendblatt.de: CSU-Chef Seehofer hat Ihre Pläne als gescheitert bezeichnet. Für das kommende Jahrzehnt gebe es nicht die Spur einer Chance, sie zu realisieren.
Lindner: Der Bundesgesundheitsminister setzt erst in diesen Tagen eine Regierungskommission ein, um das Konzept zu konkretisieren. Dazu gehört auch der Fahrplan seiner möglicherweise schrittweisen Einführung und die Finanzierung. Die CSU wird dazu sicherlich ihre konstruktiven Beiträge leisten. Oder Alternativen vorschlagen, auf die ich gespannt wäre.
abendblatt.de: Was ist eigentlich gerecht an gleichen Kassenbeiträgen für alle, unabhängig vom Einkommen?
Lindner: Das Bild, das Sie da von unserer Reform zeichnen, ist falsch. Es gibt nicht eine Prämie für alle, sondern jede Versicherung kann ihre Prämie selber festlegen. Wir wollen den Wettbewerb zwischen den Kassen wieder beleben! So werden auch die Verwaltungskosten gesenkt. Und es gibt einen Sozialausgleich aus Steuermitteln für die Versicherten.
abendblatt.de: Fragt sich nur, wie Sie diesen Ausgleich finanzieren wollen. Nach Berechnungen des Finanzministeriums kostet er bis zu 35 Milliarden Euro.
Lindner: Wer kann etwas berechnen, was es noch gar nicht gibt? Bislang existiert noch kein Modell, also kann es auch keine Prognoserechnung geben. Ich ahne, was damit bezweckt wird, aber: Der Zweck wird nicht erreicht.