Die Unstimmigkeiten in der Steuerpolitik sind beigelegt. Es wird eine steuerliche Entlastung im Umfang von 20 Milliarden Euro angestrebt.
Meseberg. Die schwarz-gelbe Regierung hat ihre Unstimmigkeiten in der Steuerpolitik vorerst beigelegt und strebt eine steuerliche Entlastung der Bürger für Anfang 2011 im Umfang von rund 20 Milliarden Euro an. Die Mitglieder des Kabinetts seien übereinstimmend der Meinung, dass ein solcher Entlastungsschritt in Form eines Stufentarifs kommen solle, verkündete Finanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstagabend als ein Ergebnis der Regierungsklausur auf Schloss Meseberg bei Berlin. „Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass wir das so machen“, fügte er hinzu.
Vizekanzler Guido Westerwelle sagte am Abend in der ARD, es bleibe bei dem, was in der Koalition beschlossen worden sei. Es werde eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen geben. Gleichzeitig solle der Haushalt konsolidiert werden.
Schon drei Wochen nach Amtsantritt wird die neue Regierung durch zahlreiche Konflikte belastet. Diese betreffen etwa den Umbau des Gesundheitswesens und die Besetzung des freien Sitzes im Beirat der Stiftung des geplanten Zentrums gegen Vertreibung. Ein Grund ist, dass der Koalitionsvertrag viele Themen offengelassen hat und eine Reihe von Fragen an Expertengremien weitergereicht wurden. Für Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Westerwelle geht es in Meseberg vor allem darum, nach dem Stolperstart Ruhe in die eigenen Reihen zu bringen und dem öffentlichen Bild der Zerstrittenheit entgegenzuwirken.
Die neue Mannschaft wolle in „guter kameradschaftlicher Atmosphäre“ ihre Arbeit aufnehmen, sagte Merkel zu Beginn der Beratungen. Auf diese Weise wolle man „die Basis schaffen, um vertrauensvoll die schwierigen Probleme zu lösen, die vor unserem Land liegen“. Westerwelle fügte hinzu, die Kabinettsmitglieder wollten bei der Tagung im Gästehaus der Bundesregierung den vielbeschworenen „kurzen Draht“ zueinander finden. „Es geht nicht nur um das Weltklima, sondern auch um das kleine Klima.“
Der von der FDP favorisierte Steuer-Stufentarif ist in der Koalition umstritten. Vor allem die CSU läuft dagegen Sturm und kanzelte das Drei-Stufen-Modell der FDP als „Theorie-Murks“ ab. Und auch Schäuble schraubte in den vergangenen Tagen vehement die Erwartungen in der Steuerpolitik herunter und betonte, für eine große Steuerreform sehe er finanziell keinen Spielraum. Was im Koalitionsvertrag niedergeschrieben sei, verdiene diesen Namen nicht. Zuvor hatte er gar Zweifel genährt, ob überhaupt eine steuerliche Entlastung 2011 möglich sein werde. Der Hintergrund ist, dass sich Union und FDP im Koalitionsvertrag lediglich auf einen Formelkompromiss verständigt hatten, wonach „möglichst“ zum 1. Januar 2011 ein Stufenmodell kommen soll.
KABINETT WILL HAUSHALT AM 16. DEZEMBER VERABSCHIEDEN
Schäuble kündigte an, am 16. Dezember werde das Kabinett einen neuen Haushaltsentwurf für 2010 verabschieden. Durch bereits geplante Maßnahmen ergäben sich Mehrausgaben und Mindereinnahmen für den Haushalt im Umfang von zehn Milliarden Euro im Vergleich zum Entwurf vom Juli. Gleichwohl solle die noch von der alten Regierung vorgesehene Neuverschuldung von 86,1 Milliarden Euro nicht überschritten werden. Dies sei möglich, weil sich national und international die Anzeichen für eine Verbesserung der konjunkturellen Lage verstärkten. Insgesamt sind für Steuersenkungen 24 Milliarden Euro vereinbart. In einem ersten Schritt werden an Familien davon Anfang 2010 schon rund 4,6 Milliarden Euro ausgeschüttet.
Überschattet wurde die Tagung vom Streit über die Besetzung des offenen Sitzes im Beirat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Die FDP und Westerwelle lehnen eine Benennung von Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach ab, gegen die es starke Vorbehalte aus Polen gibt. Der Bund der Vertriebenen (BdV) forderte die Regierung auf, noch bei der Tagung eine Klärung des Streits zu erreichen und kündigte an, an der Benennung Steinbachs festzuhalten. Westerwelle sagte am Abend, es habe im Kabinettskreis noch keine Beratungen darüber gegeben, auch liege noch keine Nominierung vor. Seine Haltung sei aber unverändert. Er werde alles unterlassen, was dem Gedanken der Versöhnung mit Polen widerspreche.