Timoschenko-Anhänger verteilen zum EM-Auftakt der ukrainischen Mannschaft T-Shirts vor der Fanmeile. Neun Verletzte in Dnjepropetrowsk.
Kiew. Begleitet von Protestaktionen für die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko ist der EM-Auftakt von Gastgeber Ukraine alles andere als störungsfrei verlaufen. Unmittelbar vor dem Anpfiff des Spiels gegen Schweden im Olympiastadion haben Anhänger von Timoschenko am Montag in der Hauptstadt Kiew kostenlose T-Shirts mit der Aufschrift „Free Julia“ verteilt. Auf der Rückseite war „Footballfest in prison“ zu lesen. Die ganze Aktion fand zunächst direkt vor der EM-Fanmeile am Protestcamp für Timoschenko, später auch in Stadionnähe statt und dürfte dem umstrittenen Präsidenten Viktor Janukowitsch kaum gefallen haben.
Zudem sorgte eine Explosion in Timoschenkos Geburtsstadt Dnjepropetrowsk für Aufregung. Bei dem Vorfall, der sich in einer Straßenbahn ereignete, wurden neun Menschen verletzt. Nach offiziellen Angaben soll es sich aber nicht um einen Anschlag gehandelt haben. Ein Jäger habe in der Straßenbahn eine Tasche mit Schießpulver fallen lassen, worauf es zu der Explosion gekommen sei, sagte Julia Jerschowa, die Sprecherin des Ministeriums für Zivilschutz. Die Verletzten hätten leichte Verbrennungen erlitten, sagte Jerschowa. Im April waren bei der Explosion von vier Sprengsätzen in der Stadt 400 Kilometer südöstlich von Kiew 31 Menschen verletzt worden. In Zusammenhang mit dem Fall wurden bisher vier Personen festgenommen.
Timoschenko-Tochter traf sich mit westlichen Politikern
Dnjepropetrowsk zählt nicht zu den vier ukrainischen EM-Spielorten. Kiew stand dagegen am Montag direkt im Blickpunkt der Öffentlichkeit. „Die europäischen Fußballfans sollten nicht nur Fußball schauen und feiern, sondern sich auch über die politische Situation im Gastgeberland informieren“, sagte der Parlamentsabgeordnete Juri Odartschenko von der Vaterlandspartei Timoschenkos während der Protestaktion zu Pressevertretern. „Sie sind herzlich eingeladen, wir erzählen ihnen gerne alles. Ich hoffe, dass die Aufmerksamkeit, die die Ukraine gerade genießt, sich positiv auf die politische Situation auswirkt.“
Am Nachmittag trafen sich in Kiew der ehemalige irische Europaparlaments-Präsident Patrick Cox und der frühere polnische Staatspräsident Alexander Kwiasniewski mit der Timoschenko-Tochter Jewgenija. Die beiden Politiker sollen vom 25. Juni an, wenn der Prozess gegen Timoschenko in Charkiw in die nächste Runde geht, als Beobachter für die Europäischen Union (EU) vor Ort sein. EU-Botschafter Jose Manuel Pinto Teixeira nahm ebenfalls an dem Treffen teil.
„Ich hoffe, dass das Leben meiner Mutter mithilfe der EU gerettet wird. Das ist ein Versuch, die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu gewährleisten. Die hochrangigen Beobachter sollen sich selbst ein Bild vom Justizsystem in der Ukraine verschaffen“, sagte Jewgenija Timoschenko der Nachrichtenagentur dapd.
Seit Wochen überlagert das Thema Timoschenko die EM in der Ukraine. Das Europäische Parlament hatte die Regierung in Kiew aufgerufen, alle aus politischen Gründen verurteilten Häftlinge umgehend freizulassen, „einschließlich Oppositionsführern“. Die Regierung in Kiew wies dies zurück. Timoschenko wurde im Oktober 2011 zu einer siebenjährigen Haftstrafe wegen Machtmissbrauchs während ihrer Zeit als Regierungschefin verurteilt. Die EU und die USA kritisierten den Prozess und das Urteil als politisch motiviert.