Ihren Hungerstreik hat Julia Timoschenko beendet. Jetzt behandelt ein deutscher Neurologe die ukrainische Ex-Regierungschefin zusammen mit einheimischen Medizinern in einer Klinik in Charkow.
Kiew. Die in Haft erkrankte ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ist nach einem wochenlangen Nervenkrieg aus ihrem Gefängnis in eine Klinik verlegt worden und hat ihren Hungerstreik beendet. Die geschwächte Oppositionsführerin werde nun mit Wasser und Säften an eine Nahrungsaufnahme gewöhnt, sagte der Neurologe Lutz Harms von der Berliner Klinik Charité am Mittwoch in Charkow rund 450 Kilometer östlich der Hauptstadt Kiew. Timoschenko hat nach eigenen Angaben seit dem 20. April aus Protest gegen ihre Behandlung durch die Führung der Ex-Sowjetrepublik keine Nahrung zu sich genommen.
Die wegen angeblichen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Gefängnis verurteilte Politikerin war am Morgen aus dem Frauengefängnis unter starken Sicherheitsvorkehrungen in das Krankenhaus gebracht worden. Sie klagt seit Monaten über einen schweren Bandscheibenvorfall. Wegen des Falls Timoschenko steht das Co-Gastgeberland der Fußball-Europameisterschaft international in scharfer Kritik.
Insgesamt werde die Behandlung der 51-Jährigen etwa zwei Monate dauern, sagte Harms. An diesem Donnerstag beginne er mit einer leichten Physiotherapie. Für Medikamente sei es zu früh.
Der deutsche Neurologe stehe ab sofort an der Spitze eines Teams des Krankenhauses und werde Timoschenko mit Medikamenten aus Berlin behandeln, sagte die ukrainische Vize-Gesundheitsministerin Raissa Moissejenko. Timoschenko teile sich im neunten Stock der Klinik drei Räume mit einer weiteren Patientin. „Wir werden Herrn Harms unterstützen, soweit seine Methoden unserem Verständnis entsprechen“, betonte Chefarzt Michail Afanassjew.
Spezialisten der Charité hatten sich vergangene Woche mit Timoschenko auf eine Behandlung in Charkow verständigt. Das Angebot der Bundesregierung, die Führerin der prowestlichen Orangenen Revolution von 2004 in Deutschland zu pflegen, lehnt Kiew ab. Nach internationalen Protesten gegen die Behandlung der 51-Jährigen hatte die Ukraine am Vortag ein Treffen im Schwarzmeerort Jalta abgesagt. Mindestens zehn europäische Staatschefs, darunter Bundespräsident Joachim Gauck, hatten eine Teilnahme an dem Gipfel verweigert.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat derweil dem Eindruck widersprochen, sie habe eine medizinische Behandlung der inhaftierten ukrainischen Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko in Deutschland verlangt. Der „Passauer Neuen Presse“sagte sie: „Dies war nie eine Forderung, sondern ein Angebot, denn wir wollen, dass Julia Timoschenko die bestmögliche medizinische Behandlung erhält. Dabei helfen jetzt schon Ärzte der Berliner Charité.“
Im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine lobte Merkel die „klaren Worte“, die Bundestrainer Joachim Löw und Mannschaftskapitän Philipp Lahm zur Menschenrechtslage in dem Land gefunden hätten. „Darüber habe ich mich sehr gefreut“, sagte sie. Die Hauptaufgabe der Nationalmannschaft bleibe jedoch das Fußballspielen. Sowohl Löw als auch Lahm hatten die Einhaltung der Menschenrechte in der Ukraine gefordert. Ob sie selbst zur EM in die Ukraine reist, lässt die Kanzlerin weiterhin offen. „Über meine Reisen zu großen Sportereignissen entscheide ich immer sehr kurzfristig“, sagte sie.