Baustopp, Volksentscheid oder weiter bauen? Stuttgart 21 wird zur Nagelprobe für die grün-rote Regierung und die Deutsche Bahn.
Stuttgart. Der umstrittene Baustopp für Stuttgart 21 wird Chefsache. Baden-Württembergs neuer Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) werde in der kommenden Woche mit Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) darüber sprechen, kündigte Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) an. Bahn-Vorstand Volker Kefer erklärte nach der Sitzung des Lenkungskreises zu Stuttgart 21, ein Bau- und Vergabestopp bis zum geplanten Volksentscheid bis Oktober würde 410 Millionen Euro kosten. Dadurch würde sich die Fertigstellung des Gesamtprojekts um drei Jahre verzögern.
Das Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21 steht am Scheideweg: Erstmals seit dem Machtwechsel in Baden-Württemberg haben sich Vertreter der grün-roten Landesregierung und Bahnchef Rüdiger Grube zum sogenannten Lenkungskreis getroffen. Die Grünen um Ministerpräsident Kretschmann wollen die Pläne für den Tiefbahnhof kippen und werfen der Bahn vor, die Kosten für das Projekt zu verschleiern. Das baden-württembergische Verkehrsministerium kritisierte, dass die Deutsche Bahn mit dem aktuellen Projekt- und dem Risikobericht hinter dem Berg halte. „Den aktuellen Risikobericht der Projektleitung kennen wir nicht“, monieren die Beamten. Weiter heißt es: „Das Land erwartet von der Deutschen Bahn eine transparente und detaillierte Aufbereitung der Kosten einschließlich Chancen und Risiken.“
Aus der Vorlage geht ferner hervor, dass die Projektträger sich zuletzt vor zehn Monaten zum Lenkungskreis getroffen haben, also lange vor Beginn der Schlichtung. In dem obersten Entscheidungsgremium sitzen neben Hermann und Grube unter anderem auch Finanz-Staatssekretär Ingo Rust (SPD) und Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU). Im Gegensatz zu den Grünen ist die SPD mehrheitlich für den Tiefbahnhof und die Anbindung an die Schnellbahnstrecke nach Ulm, was zusammen rund 4,1 Milliarden Euro kosten soll. Streit ist also programmiert: Die Bahn will nach der durch die Landtagswahl bedingten Pause endlich weiterbauen, die neue Koalition dringt auf einen Baustopp bis zum geplanten Volksentscheid im Oktober. Grüne und SPD hatten sich in ihren Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, dass nach dem Stresstest für Stuttgart 21 die Baden-Württemberger das letzte Wort haben sollen.
In dem Ministeriumspapier wird auch die Frage aufgeworfen, wer die Kosten für einen möglichen Baustopp übernehmen müsste. Wenn das Land einseitig auf ein weiteres Aussetzen der Bauarbeiten dringt, müsste es auch die Kosten übernehmen, heißt es. Das Ministerium gibt aber zu bedenken, „dass ein Weiterbau für die Deutsche Bahn rechtlich nicht ohne jedes wirtschaftliche Risiko wäre“. Schließlich könnte ein Volksentscheid einen Ausstieg des Landes zur Folge haben.
Hermanns Ressort verlangt von der Bahn außerdem, eine neue Kostenrechnung für das Grundwassermanagement des geplanten Tiefbahnhofs. „Aktuelle Grundwassererkundungen und neue Modellrechnungen haben ergeben, dass die genehmigten Wassermengen wesentlich überschritten werden“, schreiben die Beamten. Dies könne zu erheblichen Zeitverzug und Kostensteigerungen führen, die die Bahn darstellen müsse. (dpa)