Darauf einigte sich die Libyen-Kontaktgruppe. Die Außenminister glauben: Gaddafis Zeit läuft ab. Täglich 59 Luftangriffe gegen den Diktator.
Rom/Tripolis. Eigentlich wollte Guido Westerwelle am Donnerstag im ehemaligen Ostpreußen sein. In Kaliningrad, dem früheren Königsberg, standen Gespräche mit den Außenministern aus Polen und Russland auf dem Programm. Aber dann ging das Flugzeug nach Rom, wo kurzfristig ein Treffen der internationalen Libyen-Kontaktgruppe anberaumt wurde. Militärisch bewegt sich in Libyen derzeit nur wenig. Umso wichtiger wird die Suche nach einer politischen Lösung. Zuständig dafür ist in erster Linie die „Contact Group“, die im März in London ins Leben gerufen wurde – ein etwas merkwürdiges Gebilde aus verschiedenen Organisationen von Uno über Arabische Liga bis Nato sowie 22 Staaten. Von denen wiederum sind viele beim Militäreinsatz gegen das Regime von Machthaber Muammar al-Gaddafi dabei (allen voran Frankreich, Großbritannien und die USA), einige wie Deutschland oder die Türkei aber nicht.
Im Ziel sind sich alle einig: Gaddafi muss weg, und zwar so schnell wie möglich. Gleich zweimal schrieben die Teilnehmers des römischen Treffens in ihr Abschluss-Kommuniqué den Satz hinein: „Die Zeit läuft aus für Gaddafis Regime, das jetzt in der Defensive ist und international zunehmend isoliert.“ Aber auch bei doppelter Erwähnung ist viel Wunschdenken dabei.
Auch über den Weg zum Ziel ist man sich weiterhin nicht wirklich einig. Westerwelle – wegen der deutschen Enthaltung zur Libyen-Resolution im Uno-Sicherheitsrat schwer in der Kritik – sah sich auch in Rom bestätigt: „Man sieht ja mehr und mehr, dass eine politische Lösung notwendig ist“, sagte der Außenminister. „Die Grenzen des Militärischen sind sichtbar.“ Andere wie US-Außenministerin Hillary Clinton legen mehr Wert auf anhaltenden militärischen Druck, um Gaddafi endlich wegzubekommen.
Immerhin einigte sich die Gruppe darauf, einen Sonderfonds zur Unterstützung der Gaddafi-Gegner einzurichten. In den Treuhand-Fonds soll Geld aus Gaddafi-Vermögen einfließen, das im Ausland beschlagnahmt wurde. Damit soll der Übergangsrat der Aufständischen unterstützt werden, dessen Außen-Beauftragter Mahmud Dschibril in Rom dabei war. Allein in Deutschland sind Gaddafi-Konten im Wert von etwa 6,1 Milliarden Euro gesperrt.
Westerwelle sagte, das Geld stehe nicht dem Ausland, sondern „dem libyschen Volk“ zu. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Gelder aus diesem Reichtum zum Volk finden, um das Leid zu lindern.“ Hinzukommen sollen Einnahmen aus der Ölförderung in den Rebellengebieten. Eigentlich gilt gegen das rohstoffreiche Land wegen Gaddafis brutalem Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung ein Öl- und Gasembargo.
Zudem forderte die Kontaktgruppe andere Länder auf, dem Beispiel des Golf-Staates Katar zu folgen, der dem Übergangsrat mit Sitz in Bengasi für seine Arbeit 180 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt hat. Bislang hatte Dschibril bei seinen Auslandsreisen meist vergeblich um Kredite in Milliardenhöhe gebeten.
Erstmals stellte der Übergangsrat in Rom eine Art Fahrplan für ein Nach-Gaddafi-Libyen vor. Innerhalb von zwei Wochen könnte ein „Treffen des gesamten libyschen Volkes“ einberufen werden, das dann den Auftrag für eine neue Verfassung erteilen soll. Vier Monate nach der Annahme der Verfassung per Volksabstimmung könne es dann allgemeine Wahlen geben. Der Weg dahin ist allerdings noch weit.
In Rom wurde aber zumindest schon das nächste Treffen der Kontaktgruppe vereinbart: Es soll im Lauf des nächsten Monats in einem der Vereinigten Arabischen Emirate stattfinden. Die Hoffnungen, dass sich in Libyen bis dahin entscheidend etwas verändert, sind augenblicklich nicht gerade groß. So hielt sich Westerwelle auch bei der Frage zurück, ob Berlin im Libyen-Konflikt irgendwann eine Vermittlerrolle spielen könnte. Seine Antwort: „Ich glaube, das sind Diskussionen, die viel zu früh sind.“
In der fünften Woche des Libyen-Einsatzes fliegt die Nato fast so viele Luftangriffe wie zu dessen Beginn. Am Mittwoch hatten Kampfflugzeuge des Militärbündnisses sieben Munitionsdepots, sechs Panzer, zwei Raketenwerfer und ein bewaffnetes Fahrzeug der Gaddaffi-Truppen angegriffen. Das Nato-Hauptquartier berichtete am Donnerstag über insgesamt 62 Luftschläge auf die Hauptstadt Tripolis sowie die Städte Misrata, Ras Lanuf, al-Sintan und Sirte. 2042 Luftangriffe hat das Militärbündnis seit dem 31. März insgesamt geflogen, mit dem Ziel, die Zivilbevölkerung vor Übergriffen zu schützen. Die Anzahl der Angriffe mit Kampfflugzeugen und Marschflugkörpern ging nur nach den ersten drei Tagen leicht zurück, dann blieb sie konstant. Während der letzten 34 Tage gab es im Durchschnitt täglich etwa 59 Luftangriffe gegen Gaddafis Armee. (dpa)