Berlin. Der Mord an CEO Brian Thompson wurde offenbar mit einer Waffe aus dem 3D-Drucker begangen. Ein Experte erklärt, wie gefährlich das ist.
„Ghost Guns“, so nennen Experten Waffen, die mithilfe von 3D-Druckern gefertigt worden sind. Bei der kaltblütigen Ermordung des Konzernchefs einer großen Krankenversicherung, Brian Thompson, mitten in New York (USA) vergangene Woche, soll beim mutmaßlichen Täter laut Medienberichten solch eine Waffe gefunden worden sein. Der 26-jährige Angeklagte Luigi Mangione hatte seine Pistole und den Schalldämpfer offenbar selbst hergestellt, die Waffe kam aus dem 3D-Drucker.
Der Journalist und Waffenexperte Lars Winkelsdorf erklärt im Interview, welche Gefahr von Waffen aus dem 3D-Drucker in den USA und Deutschland ausgeht, woher Täter Material und Baupläne erhalten und warum Waffen aus dem Eigenbau längst keine Seltenheit sind.
Herr Winkelsdorf, sind Waffen aus dem 3D-Drucker eine wachsende Gefahr, weil die Verfügbarkeit und Herstellung offenbar immer einfacher wird?
Lars Winkelsdorf: Das Wichtige bei diesen 3D-Druckern ist, dass druckbelastete Teile, das heißt der Waffenlauf und der Verschluss, der das Patronen- oder Kartuschenlager nach hinten abschließt, nicht einfach im 3D-Druckverfahren hergestellt werden kann. Wir reden stattdessen immer über Gehäuseteile oder Griffstücke dieser Waffen, die im 3D-Drucker hergestellt werden. Das war zum Beispiel genauso beim Attentat auf die Synagoge in Halle 2019. Auch da wurden Teile der Waffe im 3D-Drucker gefertigt. Das heißt aber nicht, dass ganze Waffen aus dem 3D-Drucker kommen.
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Der jüngste Mordfall nach dem Muster geschah in New York auf offener Straße: Wie unterscheidet sich die Gefahrenlage in Deutschland von der in den USA?
Winkelsdorf: In den USA ist das ein riesengroßes Problem, denn es geht bei den Teilen aus dem 3D-Drucker um genau jene Teile, die waffenrechtlich dort reguliert sind. Das heißt, diese ganzen druckbelasteten Teile können Sie in den USA frei kaufen und sie mit solchen Teilen aus dem 3D-Drucker dann zu einer Waffe vervollständigen. Das wird in den USA auch sehr häufig gemacht. Gerade die Glock ist dort relativ weit verbreitet.
Das ist hierzulande anders?
Winkelsdorf: Das Problem haben wir in der Form in Deutschland nicht. Bei uns sind im Grunde alle Teile waffenrechtlich reguliert, sodass Sie zwar aus dem 3D-Drucker solche Griffstücke bauen können, Sie haben aber trotzdem nicht die Möglichkeit, an Lauf und Verschluss zu kommen. Beides brauchen Sie immer noch zusätzlich für die Komplettierung dieser Waffe. Und diese Teile sind aus hochwertigem Stahl gefertigt und nicht aus Kunststoff.
Neben dem Material braucht es das Know-how: Wie kommen Menschen mit böswilliger Absicht an entsprechende Bau-Anleitungen?
Winkelsdorf: Die werden teilweise im Internet herumgereicht und sind dort frei einsehbar. Sie können sogar Bauanleitungen für Waffen im Internet, etwa bei Amazon, bestellen. Teilweise sind es auch fachspezifische Kenntnisse, wir reden von Personen, die früher als Schlosser, als CNC-Fräser oder Ähnliches die notwendigen Fachkenntnisse erworben haben und auf dieser Grundlage Waffen selber herstellen.
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Wie hoch muss man sich den Aufwand bei der Herstellung vorstellen?
Winkelsdorf: Die Fähigkeit zur Herstellung einer Schusswaffe sind deutlich geringer als wir denken. Es gibt in Afghanistan, am Khyber-Pass im Grenzgebiet zu Pakistan, eine sehr lange Tradition der Waffenherstellung. Inzwischen werden in diesem Bereich modernste westliche Waffen nachgebaut. Das sind dann einfach ehemalige Eisenbahnschwellen, die umfunktioniert werden. Und das, obwohl es in dieser Region nicht mal fließendes Wasser gibt. Das heißt, selbst unter widrigen Bedingungen ist es möglich, mit simpelsten Mitteln gebrauchsfähige Schusswaffen herzustellen. Auch in Deutschland gab es schon mehrere Fälle, wo solche Schusswaffen etwa in Justizvollzugsanstalten hergestellt worden sind, mit den Mitteln, die dort verfügbar sind.
Von welchem Zeitaufwand sprechen wir?
Winkelsdorf: Ich würde sagen, dass es problemlos möglich ist, innerhalb von 16 Stunden eine Maschinenpistole herzustellen, die schussfähig ist.
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Beim Mordfall in den USA soll auch ein Schalldämpfer zum Einsatz gekommen sein.
Winkelsdorf: Natürlich kann man Teile für Schalldämpfer auch im 3D-Druckverfahren herstellen. Es kommt auf die relativen Gasdrücke an, die dabei entstehen. Ein einfacher Schalldämpfer für eine Kleinkaliberpistole ist problemlos möglich. Für Großkaliberwaffen ist das eher schwer.
Wie gelangen solche Täter an Munition?
Winkelsdorf: Im Endeffekt ist es eine Mischung aus frei erhältlichen Teilen. Zur Not kann man sich diese Teile auch selber herstellen, das ist auch keine wirkliche Herausforderung.
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Sprechen wir von frei erhältlichen 3D-Druckern?
Winkelsdorf: Dafür reicht im Grunde ein handelsüblicher 3D-Drucker. Aber wir müssen berücksichtigen: all das ist in erster Linie eine US-amerikanische Diskussion. Wenn wir einzelne Teile im 3D-Druckverfahren herstellen, dann kommt da für deutsche Verhältnisse noch lange keine gebrauchsfähige Waffe heraus.
Welche Waffengefahr sehen Sie hierzulande abseits vom 3D-Drucker?
Winkelsdorf: Etwas anders sieht es in Deutschland mit selbst gefertigten Waffen aus. Das ist tatsächlich inzwischen relativ häufig geworden, wie man in Halle gesehen hat. Wo Teile aus dem Baumarkt beschafft werden und mit relativ einfachen Mitteln auch die Herstellung einer Schusswaffe möglich ist. Das heißt im Endeffekt: Was Sie brauchen, um eine Waffe herzustellen, ist salopp gesagt, eine Drehbank, und die gibt es inzwischen für 2000 Euro. Sonst genügt auch eine preiswerte CNC-Fräse. Im Grunde können sie dann schon mit der Serienfertigung von illegalen Waffen loslegen.
An welche Beispielfälle denken Sie?
Winkelsdorf: Es sind tatsächlich schon mehrfach Untergrundwerkstätten gefunden worden. In Europa legendär war der Fall in Sussex in England, wo eine Browning-Pistole komplett kopiert und dann in Serienproduktion hergestellt wurde. Auch in Hamburg gab es schon einen Fall, wo mit solchen CNC-Fräsen Waffen selber hergestellt worden sind.
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Wenn man sich diese Entwicklung anschaut: wie können Sicherheitsbehörden in Deutschland für die Zukunft darauf reagieren?
Winkelsdorf: Es ist im Grunde nicht möglich, das zu regulieren. Waffenrechtlich sind wir gut aufgestellt, was das Thema betrifft. Ehrlicherweise haben ohnehin ein komplett überreguliertes Waffenrecht. Was man tun sollte, ist, die Behörden im Schwerpunkt auf den illegalen Handel mit Schusswaffen anzusetzen. Wenn also solche Waffen im 3D-Druckverfahren hergestellt werden und anfangen zu kursieren, dann müssen schnellstmöglich die Hersteller identifiziert und solche Waffen aus dem Verkehr gezogen werden können. Aber zu verhindern, dass jemand im stillen Kämmerlein diese Waffen in Einzelarbeit herstellt, wie im Fall Halle, ist vollkommen unmöglich.
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