Berlin. Spät, später, Deutsche Bahn: Im europäischen Ranking landet sie nur im unteren Mittelfeld. Mit der Trenitalia kann sie längst nicht mithalten.
Während die Nachbarn Schweiz und Österreich für ihre pünktlichen Züge gelobt werden, macht die Deutsche Bahn (DB) regelmäßig mit Verspätungen Schlagzeilen. Noch 2017 erreichten 86 Prozent der DB-Fernzüge – EC, IC und ICE – ihr Ziel mit weniger als 15 Minuten Verspätung. Doch im Oktober 2024 sank diese Quote auf alarmierende 62,9 Prozent, wie das Unternehmen selbst einräumt.
Trotz aller Kritik gibt es offenbar auch lobenswerte Aspekte bei der Deutschen Bahn: Eine neue Studie der Kampagnengruppe Transport and Environment (T&E) zeigt, dass die Deutsche Bahn in zwei entscheidenden Bereichen mit den besten Bahnbetreibern Europas mithalten kann.
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Die umfassende Studie von T&E untersuchte 27 Bahngesellschaften in Europa. Bewertet wurden acht Aspekte wie Fahrpreise, Pünktlichkeit und Kundenfreundlichkeit, um zu zeigen, wie gut die Bahn als nachhaltige und effiziente Alternative zum Flug- und Autoverkehr abschneidet.
Europäische Bahnen im Vergleich: Deutsche Bahn nur im unteren Mittelfeld
Spitzenreiter ist die italienische Trenitalia mit 7,7 von 10 möglichen Punkten, gefolgt von der Schweizer SBB und der tschechischen RegioJet mit jeweils 7,4 Punkten. Diese Anbieter glänzten laut Studie durch günstige Preise, hohe Zuverlässigkeit und kundenfreundlichen Service. Die österreichische ÖBB und die französische SNCF komplettieren die Top 5.
Am unteren Ende der Skala finden sich Hellenic Train aus Griechenland (5,1 Punkte), der französische Anbieter Ouigo (5,2 Punkte) sowie Eurostar (4,9 Punkte), die vor allem wegen hoher Preise und eingeschränktem Angebot schlecht bewertet wurden.
Nur geringfügig besser schnitt die Deutsche Bahn ab: Mit 5,9 Punkten liegt sie im unteren Mittelfeld. Besonders hohe Ticketpreise und häufige Verspätungen belasten die Platzierung.
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Flixtrain: Viermal günstiger als die Deutsche Bahn
Die Forscher fanden heraus, dass der Fahrpreis für viele Fahrgäste der wichtigste Faktor bei der Wahl des Verkehrsmittels ist – doch die Unterschiede zwischen den europäischen Bahnbetreibern sind enorm. T&C lobt insbesondere den deutschen Bahnbetreiber Flixtrain für seine günstigen Ticketpreise, die bis zu viermal niedriger sind als die der Deutschen Bahn.
Auch das Vereinigte Königreich wurde für seine großzügigen Entschädigungsregelungen bei Verspätungen gelobt. Gleichzeitig wurden die Fahrpreise als überhöht kritisiert. Laut der Studie gehören die drei teuersten Bahnen Europas ganz oder teilweise zum britischen Markt. Dies gilt zum Beispiel für den Eurostar, der Strecken wie London-Paris und London-Brüssel bedient. Eurostar gehört T&C zufolge zu den teuersten Bahnbetreibern Europas und verlangt fast das Doppelte des Durchschnittspreises pro Kilometer.
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Bahnfahren oft teurer als Fliegen
Die Forscher betonen, dass Bahnreisen preislich konkurrenzfähig und komfortabel bleiben müssen, um mit Flugreisen und Autofahrten mithalten zu können. Bahntickets in Europa seien auf vergleichbaren Strecken im Durchschnitt doppelt so teuer wie Flüge, so die Forscher weiter. Diese Preisdifferenz bestätigt auch ein Bericht von Greenpeace, der kritisiert, dass Steuererleichterungen für den Flugverkehr die Klimabilanz zusätzlich belasten. Die Folge: Viele Menschen entscheiden sich für das Flugzeug, obwohl sie umweltfreundlicher mit der Bahn reisen könnten.
Auch Victor Thévenet, Bahnexperte bei T&E und Hauptautor des Berichts, erklärt gegenüber der britischen Zeitung „Guardian“: „Die Menschen wollen mit dem Zug reisen, aber viele werden davon abgehalten, weil die Preise zu hoch sind – vor allem für Familien – oder weil die Bahn nicht zuverlässig ist“.
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Pünktlichkeit bleibt Schwachstelle: Deutsche Bahn im europäischen Vergleich abgeschlagen
Für die Zuverlässigkeit spricht auch die Pünktlichkeit der Verkehrsmittel – allerdings konnten laut der nur 11 europäische Bahnbetreiber Pünktlichkeitsquoten von über 80 Prozent erreichen. Die Deutsche Bahn gehört nicht dazu.
Die Schweizer SBB führt mit 7,8 von 10 Punkten die Rangliste der pünktlichsten Bahnbetreiber an und überzeugt mit zuverlässigen Verbindungen. Hauptautor Thévenet lobte die Investitionen der Schweiz in die Schieneninfrastruktur, die es der SBB ermöglichten, den pünktlichsten Service anzubieten. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die belgische SNCB und die spanische Renfe mit jeweils 7,4 Punkten. Deutlich schlechter schneiden dagegen die Deutsche Bahn mit 2,5 Punkten, die portugiesische CP mit nur 0,4 Punkten und die schwedische Snälltåget mit 0 Punkten ab. „Häufige Verspätungen und Zugausfälle prägen hier das Reiseerlebnis“, heißt es in der Studie.
Die Forscher bemängeln nicht nur die Verspätungen in Bezug auf die Zuverlässigkeit, sondern auch die fehlende Integration der europäischen Ticketsysteme. Vor allem grenzüberschreitende Reisen seien für viele Verbraucher kompliziert und unübersichtlich. T&E fordert daher Investitionen in die Digitalisierung und die Einführung eines vereinfachten, einheitlichen Buchungssystems, das grenzüberschreitendes Reisen erleichtert.
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Bahnen im europäischen Vergleich: Deutsche Bahn punktet in zentralen Kategorien
Trotz Kritik an Ticketpreisen und Pünktlichkeit zeigt die T&C-Studie auch die Stärken der Deutschen Bahn. Vor allem in den Bereichen Buchungserlebnis und Reisequalität gehört die DB zu den führenden Bahnanbietern in Europa und kann sich mit Spitzenreitern wie der Schweizer SBB und der österreichischen ÖBB messen.
Besonders positiv wird bei der Deutschen Bahn die Möglichkeit hervorgehoben, Tickets bis zu zwölf Monate im Voraus zu buchen – ein entscheidender Vorteil für Reisende mit festen Plänen. Zum Vergleich: Viele andere europäische Anbieter wie ZSSK (Slowakei), Hellenic Trains (Griechenland) und BDZ (Bulgarien) bieten Tickets erst weniger als zwei Monate vor Abfahrt an. Auch Flixtrain wird in diesem Bereich positiv erwähnt, da eine Buchung bis zu sechs Monate im Voraus möglich ist.
Reisequalität: Deutsche Bahn auf Augenhöhe mit den Besten in Europa
In der Kategorie „Reisequalität“ liegt die Deutsche Bahn mit 8,7 Punkten nur knapp hinter der französischen SNCF (10 Punkte) und der italienischen Trenitalia (8,9 Punkte). Bewertet wurden Faktoren wie WLAN-Verfügbarkeit, Verpflegungsangebote, Steckdosen und die Durchschnittsgeschwindigkeit der Züge. Am unteren Ende des Rankings liegen die niederländische NS (4,1 Punkte), Hellenic Trains (4 Punkte) und die belgische SNCB (2,7 Punkte), die in vielen Bereichen deutlich hinterherhinken.
Die Deutsche Bahn zeigt, dass sie in Sachen Reiseerlebnis mit den besten Anbietern in Europa mithalten kann. Doch um als nachhaltige Alternative zum Flugverkehr wirklich erfolgreich zu sein, müssen nicht nur Komfort und Service weiter verbessert, sondern auch die Fernverbindungen ausgebaut werden.
Eine aktuelle Vereinbarung zwischen Bund und Ländern könnte dafür die Weichen stellen. Besonders stark frequentierte Strecken sollen saniert werden, ohne andere Ausbauprojekte oder Digitalisierungsmaßnahmen zu gefährden. Ziel ist eine flächendeckende Modernisierung des deutschen Schienennetzes.