Berlin. Zwischenfälle bei Flugzeugbauer Boeing wie in Litauen verunsichern auch Urlauber. Was sagen die Zahlen und was Flugfachleute und Piloten?
Noch laufen die Ermittlungen auf Hochtouren: Nach dem Absturz eines Frachtflugzeugs in Litauen haben die Behörden die Flugschreiber der Maschine geborgen. Deren Auswertung dürfte mehr Klarheit über die Ursache bringen. Das Frachtflugzeug war am Montagmorgen kurz vor der geplanten Landung in der Nähe des Flughafens Vilnius in ein Wohngebiet gestürzt und am Boden zerschellt. Dabei kam eines der vier Besatzungsmitglieder ums Leben. Die Absturzursache ist noch unbekannt. Klar ist: Bei der Swiftair-Maschine, die im Auftrag von DHL von Leipzig aus unterwegs war, handelt es sich um eine Boeing-737-400.
Unabhängig von der noch laufenden Untersuchung entsteht der Eindruck: Die Zwischenfälle beim Fliegen häufen sich in letzter Zeit, allen voran bei Flugzeugen der Firma Boeing. Das Unternehmen steckt schon seit den Unglücken mit zwei abgestürzten Flugzeugen in den Jahren 2018 und 2019 tief in der Krise. Doch die Probleme beim amerikanischen Flugzeughersteller häufen sich.
Die Zwischenfälle reichen vom Verlust eines Vorderrades an der Flugmaschine in Kolumbien über fehlende Bolzen an einer Maschine in den USA, wodurch ein Rumpfteil abflog, bis hin zu 30 Verletzen nach schweren Turbulenzen einer Maschine auf dem Weg von Spanien nach Uruguay. Erst im Mai dieses Jahres wollte eine Boeing 767 auf dem Flughafen von Istanbul landen. Doch das vordere Fahrwerk beim Frachtflugzeug von Logistiker Fedex ließ sich nicht ausfahren. Die Boeing musste spektakulär ohne Bugfahrwerk aufsetzen. Verletzt wurde bei der Landung glücklicherweise niemand. Im Juli war schließlich kurz nach dem Start in Los Angeles bei einer Boeing 757-200 ein Reifen abgefallen.
Aus dem ehemaligen Werbeslogan „If it’s not Boeing, I ain’t going.“ (Wenn es nicht Boeing ist, dann komme ich nicht mit) machten Nutzer im Netz bereits „If it’s Boeing, I ain’t going.“ (Wenn es Boing ist, dann komme ich nicht mit). Die Vorfälle nehmen zu, doch was heißt das generell für die Flugsicherheit? Wie sicher ist es noch zu fliegen?
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Boeing, Lufthansa und Co.: Wie stark ist die Zunahme der Zwischenfälle?
Laut den Zahlen des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA) verfünffachten sich die Störungsmeldungen insgesamt im zurückliegenden Jahrzehnt. Waren es im Jahr 2013 noch 2079 Meldungen, lagen die Zahlen zehn Jahre später bei 11.283. Dabei kommt es häufiger zu Triebwerksausfällen, wobei die Zahlen im gleichen Zeitraum von 16 auf 55 anstiegen – eine Zunahme von rund 350 Prozent. Auch die Turbulenzen nahmen von 43 auf 144 Fälle deutlich zu. Nur Vorfälle, die mit Ölgeruch in Verbindung standen, nahmen um rund die Hälfte ab. Und von 68 Vogelschlägen im Jahr 2013 verminderten sich die Zusammenstöße von Vögeln mit Flugzeugen auf 29 im Jahr 2023.
Sicherheitsrisiko Flugzeug: Wodurch entstehen die meisten Vorfälle?
Durch Wartungen und die Überwachung der Flugzeuge wollen Aufsichtsbehörden Vor- und Unfälle solcher Art vermeiden. Die größte Fehlerquelle dabei: der Mensch. Zu Störungen kommt es laut Luftfahrt-Bundesamt (LBA) vornehmlich bei den Wartungen, im Cockpit selbst sowie den Vor- und Nachflugkontrollen als auch bei der Beurteilung von meteorologischen Wetterbedingungen.
Um in diesen Bereichen genügend Sicherheit zu gewährleisten, solle das Personal flugmedizinisch untersucht, ausreichend ausgebildet und mit erweiterten Schulungen vorbereitet werden, so sehen es die Maßnahmen des LBA vor. Weiterhin erfolgen während des Gebrauchs der Flugmaschinen Qualitätssicherungen durch lizenzierte Unternehmen, die die Flugtüchtigkeit überprüfen.
Die zugelassene Behörde – in Deutschland das Luftfahrt-Bundesamt – überwacht diese Prozesse: „Die größte Herausforderung ist dementsprechend die Sicherstellung von Sorgfalt bei allen zu bewältigenden Aufgaben, beispielsweise durch eine gute Ausbildung, häufige und intensive Schulungen sowie die Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen“, schreibt das LBA.
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Urlaub & Beruf: Wird das Fliegen unsicherer?
„Das vergangene Jahr war eines der sichersten in der Luftfahrt überhaupt“, sagte Peter Beer gegenüber „Zeit Online“. Der Sachverständige für Flugunfälle beteuerte weiter, dass es keine großen Veränderungen zu den Vorjahren in Bezug auf Flugunfälle gebe – auch wenn es viele Berichte über den US-Hersteller Boeing geben würde.
Die steigende Zahl der Vorfälle könnten Beer zufolge auch mit dem zunehmenden Flugverkehr einhergehen. Während sich zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 die Zahl der Flüge knapp halbiert hatte, gehen die Zahlen laut Statista seitdem wieder hoch und nähern sich mit 37,7 Millionen Flügen im Jahr 2023 langsam wieder dem Niveau von 2019 (46,8 Mio.).
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Sicherheit der Flugzeuge: Das sagt ein Pilotensprecher
Frank Blanken, Pressesprecher der Vereinigung Cockpit e.V. und selbst Pilot, bestätigt dieser Redaktion: „Der Luftverkehr ist mit Abstand das sicherste Verkehrsmittel“ und daran ändere auch die Vorfallserie der Firma Boeing nichts. Laut des Piloten seien es vor allen Dingen „Unzulänglichkeiten in der Produktion und/oder der Qualitätssicherung, die möglicherweise zu diesen Unfällen beigetragen haben“.
Diese Vorfälle seien aus Sicht des Cockpit e.V. von Flugunfallermittlern aufgearbeitet und notwendige Maßnahmen ergriffen worden. In jedem Schritt unterliege der Luftverkehr engmaschigen Kontrollen und Vorgaben, die eine höchstmögliche Sicherheit gewährleisten. Sprich: das Flugsystem funktioniert wie ein Uhrwerk, und von Entwicklung, Herstellung und Zertifizierung der Flugmaschinen über die Ausbildung des Personals bis hin zur Inbetriebnahme laufen die Zahnräder im Normalfall einwandfrei ineinander. „Wir, als Piloten, haben entsprechend keinerlei Bedenken oder Sorgen in ein Verkehrsflugzeug, dessen Betrieb in Deutschland zugelassen ist, einzusteigen. Sei es von Boeing, Airbus oder einem anderen Hersteller“, versichert Frank Blanken.