Hollenstedt. Fernsehmoderator schrieb Drehbuch für Kinofilm mit Figuren der Kinderserie. Auch Weihnachten wird die Neuverfilmung im Free-TV gezeigt.

  • Bis 2001 lief mehr als 20 Jahre die Kindersendung „Hallo Spencer“ im frei empfangbaren Fernsehen
  • Satiriker und Moderator Jan Böhmermann, geboren 1981, gehörte seinerzeit zur wesentlichen Zielgruppe
  • Im Landkreis Harburg entdeckte der 43-Jährige die Puppen neu und ließ sich zur Neuverfilmung inspirieren

Mehr als 20 Jahre war die Fernsehserie „Hallo Spencer“ ein Muss für heranwachsende Kinder und Jugendliche. Von 1979 bis 2001 lief die Kult-Kindersendung im frei empfangbaren Fernsehen. Ein Zeitraum, in dem auch der scharfzüngige Satiriker Jan Böhmermann vom Alter her in die Zielgruppe fiel. Die Klappmaul-Puppen haben den heute 43-Jährigen ebenso geprägt wie viele andere junge Menschen dieser Zeit.

„Hallo Spencer“: Wo und wann Neuverfilmung von Jan Böhmermann gezeigt wird

Sonst hätte der Fernsehmoderator wohl kaum das Drehbuch für einen Kino-Film mit den Figuren der Kinderserie geschrieben und ihn gleich selbst produziert. Womit Böhmermann nicht nur für ein Comeback von Spencer, Kasi, Poldi und Lexi sorgt. Sondern auch von Winfried Debertin, dem Erfinder von „Hallo Spencer“.

Hallo Spencer Winfried Debertin
Winfried Debertin, Erfinder von „Hallo Spencer“, lieferte die Originalvorlage für den Film von Jan Böhmermann. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Nun stehen auch die Sendetermine fest: „Hallo Spencer – der Film“ ist zu sehen ab Freitag, 13. Dezember, 10 Uhr, in der ZDF-Mediathek, am Mittwoch, 25. Dezember, um 20.15 Uhr auf ZDFneo sowie am Freitag, 27. Dezember, um 23.45 Uhr im ZDF-Hauptprogramm. Winfried Debertin, der Mann aus dem Hamburger Süden, erlebt seit der Filmpremiere auf dem Filmfest München 2024 ein gesteigertes Interesse an seiner Person und seinen beliebten Figuren. Das ist für den 71-Jährigen Balsam für die Seele.

„Hallo Spencer“: Neuer Film ist für Erfinder der Puppen „Balsam für die Seele“

Der Produzent und Regisseur lebt in einem schönen Haus in Hollenstedt, das vollgestopft ist mit Erinnerungen. Bei einem Besuch darf der Gast tief in Debertins Fantasiewelt eintauchen. Garten, Keller, Atelier – überall finden sich die berühmten Puppen sowie Requisiten, Bilder, Fotos und andere Dinge aus seinen Kindersendungen „Hallo Spencer“, „Little Amadeus“ oder „Leonie Löwenherz“.

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Debertin holte die Puppen nach Hause, als er einen Lagerraum im MicMac aufgeben musste, weil die legendäre Großdiskothek in Moisburg abgerissen werden sollte – ein Umstand, der Jan Böhmermann zum Drehbuch für „Hallo Spencer – der Film“ inspirierte. Der Film, der eventuell auch auf die Kinoleinwand kommt, trägt den Untertitel „Nach einer wahren Geschichte“ – und dafür lieferte Winfried Debertin die Originalvorlage.

MicMac Moisburg: Lange lagerten in der Großraumdisco viele Requisiten

Der „Hallo Spencer“-Erfinder heißt im Film Gregor Sesam, der Name ist eine Anspielung auf Debertins frühe Arbeit bei der „Sesamstraße“. Sesam wird von Schauspieler Rainer Bock verkörpert. „Der macht das ganz hervorragend. Manches in der Geschichte ist ganz nah an meinem Leben, anderes ist wieder ganz weit weg“, sagt Winfried Debertin.

„Hallo Spencer“: Comeback für die Puppen Elvis, Lexi, Nepomuk und Poldi

So musste er glücklicherweise nie mit seinen Puppen im MicMac leben, wie sein Alter Ego im Film, in dem Serienerfinder Sesam 20 Jahre nach der letzten Folge mit seinen Puppen und Requisiten in der leerstehenden Disco „Coconut Cave“ am Stadtrand von Hamburg haust und auf ein Comeback hofft.

Premiere von
Bei der Premiere von „Hallo Spencer – Der Film“ in München: Drehbuchautor Jan Böhmermann (r.) feiert unter anderem zusammen mit dem Puppenerfinder Winfried Debertin (l.) im Arri-Kino. © picture alliance/dpa | Stefan Puchner

Doch nun droht auch diese letzte Zuflucht von Spencer, Elvis, Lulu und Co. zu verschwinden. Sesam und seinen Puppen bleibt nur noch eine Chance: Sie müssen schnell 10 Millionen auftreiben, um die Abrissbagger zu stoppen. Da trifft die illustre Truppe einen gemeinsamen Entschluss: „Wir machen einen Film!“

Nach mehr als 20 Jahren: Die alten Puppenspieler sind im neuen Film dabei

Die Puppen haben ein Eigenleben, sie sprechen mit Gregor Sesam. Regisseur Timo Schierhorn wollte die Interaktion zwischen Schauspielern und Puppen nicht animieren, sondern mit menschlichen Puppenspielern drehen – eine anspruchsvolle Aufgabe. „Es war gar nicht so einfach, die Puppenspieler von ,Hallo Spencer‘ nach 22 Jahren wieder zusammenzutrommeln“, meint Debertin.

Hallo Spencer - Der Film
Szene aus dem „Hallo Spencer“-Film von Jan Böhmermann: Spencer und Puppenspieler Jakob Sesam (Rainer Bock, Mitte) unterschreiben in einer Filmszene den Lieferschein eines Lieferanten – den spielt der Satiriker selbst. © picture alliance/dpa/ZDF | Gordon Timpen

Er selbst wirkte ebenfalls mit und spielte „Lexi“. Neben der Grundidee lieferte er außerdem den Text für einen neuen Song seiner legendären „Quitschbeus“. Produzent und Drehbuchautor Jan Böhmermann taucht im Film übrigens auch auf: Hitchcock-like am Anfang und am Ende.

Jan Böhmermann berichtet im „ZDF Magazin Royale“ vom angeblichen Spencer-Absturz

Dass ausgerechnet der bekannte Fernsehmoderator nun dafür sorgt, dass Spencer und seine Freunde aus dem Runddorf fast ein Vierteljahrhundert nach ihrem Verschwinden zu neuem Ruhm gelangen, war für Winfried Debertin nicht abzusehen.

Die beiden Fernseh-Männer hatten sich nie persönlich kennengelernt. Debertin nahm erst den Kontakt zu Böhmermann auf, als der Moderator in seiner Late-Night-Show „ZDF Magazin Royale“ einen satirischen Beitrag mit dem Titel „Vom tiefen Fall einer TV-Legende“ zeigte und darin über Spencers angeblichen Absturz berichtet.

Hallo Spencer Winfried Debertin
Lange lagerten Requisiten aus den Kindersendungen von Winfried Debertin im MicMac Moisburg. Das Foto entstand bei einem Besuch in der ehemaligen Großraumdisco, bevor diese abgerissen werden sollte. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Die Kultfigur aus den Achtzigern war zu einem abgerissenen Ex-Star und Querdenker geworden, der Verschwörungstheorien verbreitet. Spencers Schöpfer Debertin nahm die satirische Darstellung seiner ersten und erfolgreichsten Figur mit Humor und ging darauf in seinem Youtube-Kanal „Spencer TV“ ein. Woraufhin Böhmermann ihn in seine Sendung nach Köln einlud.

Jan Böhmermann schaut sich Puppen im MicMac an – ein Besuch mit Folgen

Es kam zu einem Gegenbesuch des TV-Moderators in Hollenstedt, bei dem er sich auch die Puppen im inzwischen abgerissenen MicMac anschaute – eingelagerte Kinderträume in einem heruntergekommenen ehemaligen Tanztempel. Die Idee für den Film, der mit den Originalrequisiten von damals entstand, war endgültig geboren.

Seine Weltpremiere beim Münchner Filmfest vor 700 Zuschauern verlief erfolgreich: Der Film wurde im Anschluss durchweg positiv besprochen. „Er ist etwas für Kinder, aber auch unbedingt für Erwachsene“, sagt Debertin.

Hallo Spencer Winfried Debertin
Winfried Debertin und seine neueste Figur „Kalle“ im Atelier seines Hauses. Dort produziert er auch die YouTube-Beiträge für „Hallo Spencer TV“. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Bei Jan Böhmermann gehe es selbstverständlich nicht ohne Satire und doppelten Boden. So wird der rasante Medienwandel zwischen Streaming-Kommerz und öffentlich-rechtlicher Lethargie thematisiert, und es finden sich eine Menge lustiger Anspielungen und Verballhornungen. Böhmermann taucht etwa als Lieferant des NRF auf – dem Sender Nordrundfunk/Fernsehen mit dem Slogan „Dort wo Deutschland oben ist“ und einem Walross im Logo.

Bei der Filmpremiere: Spencer-Erfinder Winfried Debertin kämpft mit Tränen

Für den Erfinder von „Hallo Spencer“ ist der neue Kinofilm mit seinen Puppen eine sehr emotionale Sache. „Ich habe bei der Premiere in München mit den Tränen gekämpft“, gib er zu. Besonders berührt habe ihn die Szene, in der der Mitwirkende Dirk von Lotzow im Film zu Jakob Sesam sagt: „Sie wirken wie jemand, der seit Jahrzehnten in den Köpfen von Millionen groß gewordener Kinder lebt.“

Der Film habe „in vielerlei Hinsicht Therapeutisches gehabt“, sagt Debertin. Seine Entstehungsgeschichte soll ein weiteres Kapitel des „Hallo Spencer“-Buches füllen, an dem der Hollenstedter seit einem halben Jahr arbeitet.

Mehr Dreharbeiten im Süden Hamburgs:

Es gibt übrigens weitere lokale Bezüge des Films in die Region und nach Hamburg als Drehort: Regisseur Timo Schierhorn kommt aus Winsen. Er feiert mit „Hallo Spencer“ sein Spielfilmdebüt.

„Hallo Spencer – Der Film“: Im Revival spielt Hamburg eine große Rolle

Zuvor hat er Musikvideos gedreht für „Deichkind“ und „Tocotronic“. Auch „Dittsche“ Olli Dittrich ist dabei – als Chef eines Streamingdienstes. Und die Innenaufnahmen von der Disco, in der Georg Sesam mit seinen Puppen haust, entstanden in der ehemaligen Diskothek Palladium an der Bramfelder Straße in Barmbek-Nord.

„Sie wurde 1996 aufgrund wiederholter Schießereien und dem Fund eines Waffenarsenals dauerhaft geschlossen“, weiß Winfried Debertin. Es hatte sich ausgetanzt in dem ehemaligen Tanzschuppen. Bis Debertin, Spencer, Böhmermann und das ZDF kamen, um ihre berühmten Puppen tanzen zu lassen.