Rosengarten. Seit 20 Jahren züchtet Hindrick Stüvel Sportpferde, zwei gingen die Vielseitigkeit in Versailles. Wie emotional die Familie mitfieberte.
Auch Tage nach dem größten Erfolg seiner Karriere ist Hindrick Stüvel ganz ergriffen. „Das war sehr emotional. Wir haben alles am Livestream verfolgt. Bei dem einen oder anderen ist auch eine Träne geflossen“, sagt der Mann aus der Gemeinde Rosengarten. Auch wenn der 75-Jährige nicht selbst in Frankreich weilt, ist sein Erfolg eng mit den Olympischen Spielen 2024 verknüpft.
Vielseitigkeit in Paris: Julia Krajewski reitet Pferd aus Zucht von Hindrick Stüvel
Seit mehr als 20 Jahren züchtet Hindrick Stüvel Sportpferde. Jetzt standen gleich zwei Pferde aus seiner Zucht im Teilnehmerfeld der Vielseitigkeitsreiterei im Park von Versailles. Der zehnjährige Nickel trug die Deutsche Julia Krajewski, Olympiasiegerin von 2021, auf den elften Platz. Dazu erreichte der elfjährige Radar Love unter Raf Kooremans aus den Niederlanden Rang 26. „Eine wahnsinnige Ausnahme, dass ein kleiner Züchter wie ich mit zwei Pferden bei Olympia vertreten ist. Unglaublich“, sagt Hindrick Stüvel stolz.
Die Dressur am Sonnabend und den Geländeritt am Sonntag habe er im Kreise der Familie verfolgt, das abschließende Springen am Montag im Büro in Hittfeld. Dort betreibt Stüvel ein Ingenieurbüro für Straßenbau und Vermessung, betreut vor allem Projekte im Süden Hamburgs. „Gefreut habe ich mich auch, dass Nickel im Springen zweimal Null gegangen ist.“ Zur Feier des Tages gönnte sich Hindrick Stüvel am Abend mit Gattin Sigrid eine Flasche Champagner.
Nickel und Krajewski: Olympiastart in Paris war alles andere als sicher
„Den Werdegang von Nickel verfolge ich schon länger. Im vergangenen Jahr habe ich den Erfolg bei der deutschen Meisterschaft in Luhmühlen hautnah miterlebt und mich über seinen Sieg beim CHIO in Aachen in diesem Jahr gefreut.“ Dennoch war der Olympiastart 2024 alles andere als sicher. Bundestrainer Peter Thomsen nominierte Krajewski und Nickel „nur“ als Ersatzpaar. Erst das Pech von Sandra Auffarth, deren Pferd Viamant du Matz sich bei der letzten Gesundheitsprüfung nicht hundertprozentig fit präsentierte, bescherte der 35-Jährigen die Chance auf die Titelverteidigung.
„Als Julia Krajewski und Nickel die Nominierung für Paris erhielten, konnte ich es kaum fassen. Er ist ja erst zehn Jahre alt, steht also noch am Anfang seiner sportlichen Karriere.“ Die Pferde mit den Top-Platzierungen sind überwiegend 15, 16 oder 17 Jahre alt. „Dass die beiden in Paris dieses tolle Ergebnis abgeliefert haben, ist phänomenal. Nach dem Geländeritt war ich gerührt von dieser gemeinsamen Leistung“, schwärmt der Mann aus dem Landkreis Harburg über Nickel und Julia Krajewski.
Auch aus Stüvels Zucht: Radar Love startet mit Raf Kooremans für Niederlande
Radar Love ist ein Jahr älter als Nickel, wurde 2013 ebenfalls auf dem Hof in Zeetze (Amt Neuhaus) im Landkreis Lüneburg geboren. Dort hat Hindrick Stüvel fünf eigene Stuten stehen. Sie brachten im vergangenen Jahr fünf Fohlen zur Welt, die Tragezeit bei Pferden beträgt elf Monate. Manche Pferde verlassen den Hof bereits als Fohlen, andere werden weiter ausgebildet – „angeritten“ nennt man das. Nach dem Verkauf von Radar Love hatte Stüvel den weiteren Weg seiner Züchtung aus den Augen verloren.
Umso überraschter war er, als er vor einigen Wochen den Anruf der heutigen Eigentümerin aus den Niederlanden erhielt. Jeanine Steentjes wollte dem Züchter aus Niedersachsen mitteilen, dass der Diarado-Sohn in Paris am Start sein werde. Nach dem Geländeritt lagen Raf Kooremans und Radar Love direkt hinter Julia Krajewski und Nickel. Nach zwei Abwürfen im Springen ging es im Tableau etwas nach hinten – Rang 26 in der Einzelwertung und Rang zehn mit den Niederlanden in der Teamwertung.
Deutsches Springderby 2008: Felix Stüvel reitet auf Platz sechs
Hindrick Stüvel züchtet seit mehr als 20 Jahren Sportpferde, darunter einige international erfolgreiche. Viele von ihnen ritt Sohn Felix Stüvel, dessen größter Erfolg der sechste Platz beim Deutschen Springderby 2008 ist. Wallach „Cluney“ schaffte es unter einem Springreiter aus den USA in den Weltcup. Die Liebe zu Pferden begleitet Hindrick Stüvel sein ganzes Leben. Schon auf dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern gab es eine Hengststation, zum Reiten blieb jedoch wenig Zeit. Der Betrieb ging an seinen älteren Bruder.
Der Fokus von Hindrick Stüvel galt zunächst dem Beruf, galt dem Aufbau der Ingenieur-Gesellschaft. Nach der Wende legte er den Grundstein für eine Pferdezucht im Landkreis Lüneburg: „Anfang der 90er-Jahre haben wir den Hof in Zeetze gekauft, die Flächen über die Jahre stetig vergrößert und den Betrieb ausgebaut.“ Heute umfasst das Areal in der Elbtalaue mit Äckern, Grünland und Wald insgesamt 80 Hektar. Insgesamt 24 Pferde – Fohlen, heranwachsende Pferde, Zuchtstuten und „Rentner“ – leben auf dem Betrieb.
Hof in Zeetze (Amt Neuhaus): 24 junge und alte Pferde leben auf 80 Hektar
Für Hindrick und Felix Stüvel bedeutet artgerechte Pferdehaltung unter anderem, dass Pferde auf großen Weiden mit viel Auslauf und in Herden heranwachsen dürfen. In Zeetze (Amt Neuhaus) wächst auch ein Hengstfohlen von Nickels Vollschwester Naseweiss auf. Der Fohlenmarkt sei momentan ein schwieriges Terrain, berichtet Stüvel. „Viele potenzielle Käufer scheuen die steigenden Kosten der Pferdehaltung. Da ist es wichtig, diese Phase aussitzen zu können.“ Mit einem Erfolg wie in Paris sollte das doch leichter gelingen.