Lüneburg. Beliebtes Kulturzentrum feiert Geburtstag mit zwei Schauen. Der Clou: Auch ein KI-generiertes Werk hat sich dazwischengeschummelt.
- Wie kreativ ist Künstliche Intelligenz (KI) und wie ist das Werk zu beurteilen, das sie kreiert?
- Über diese Frage streiten aktuell Künstler und Kulturschaffende überall auf der Welt
- Die Kulturbäckerei Lüneburg hat die Frage auf spielerische Weise in eine ihrer Ausstellungen integriert
Wozu braucht es Künstler, wenn wir doch die Künstliche Intelligenz haben? Kann sie nicht viel präziser arbeiten, berauschende Ausstellungen entwerfen, besser unterschiedliche Realitäten zusammenbringen und somit faszinieren? Und, ach ja, analoge Ausstellungsräume bräuchte es dann auch nicht mehr, sie müssten nicht mehr subventioniert werden, Platz würde freiwerden.
Wie kreativ ist Künstliche Intelligenz – und wie können wir sie erkennen?
Mit ähnlichen Fragen haben sich die Kulturschaffenden aus Lüneburgs Kulturbäckerei befasst – und pünktlich zum zehnten Jubiläum der Kulturstätte eine Gemeinschaftsausstellung auf die Beine gestellt, die den Titel trägt: „KI – Künstlerische Intelligenz“. Ab Sonntag, dem 7. Juli, ist sie in der Kunsthalle in der Dorette-von-Stern-Straße zu sehen. Zur Eröffnung werden auch die in der Kulturbäckerei beheimateten Theaterschaffenden mit Walking Acts vertreten sein, Live-Musik gibt es von der Lüneburger Band Kota Connection.
Und schon während des Ausstellungsaufbaus, Mitte der Woche, wird erfahrbar, weswegen ein Ort, an dem Kulturschaffende auf insgesamt 1500 Quadratmetern gemeinsam arbeiten und auch präsentieren, so wertvoll ist: wegen des Austauschs, der auch Außenstehenden offensteht, der befruchtet und belebt.
In der Kunsthalle der Lüneburger Sparkassenstiftung wird gerade fleißig gehämmert und gehängt. Auch die zwei Restauratoren, Inga Blohm und Markus Tillwick, die sich in eines der zwölf Ateliers eingemietet haben, bieten bei der Gruppenschau Einblicke in ihre Arbeit, Malerei wird ausgestellt, Collagen, Illustrationen und Musik, auch die Kunstschule Ikarus macht mit.
Für 60 Quadratmeter zahlen die Künstler in Lüneburg 600 Euro warm
„Wir waren selbst überrascht, dass wir schon zehn Jahre hier sind“, sagt die Autorin Carolin George schmunzelnd. Gemeinsam mit der Grafikdesignerin Berit Ness arbeitet sie in Atelier 11, für 60 Quadratmeter bezahlen sie zusammen im Monat 600 Euro warm. Ness ist auch die Vorsitzende des Vereins, den die Kulturschaffenden aus den Ateliers kurz nach ihrem Einzug, in 2015, gegründet haben, um gemeinsame Aktionen ins Leben rufen zu können.
Auch wiederkehrende Ereignisse haben sich etabliert: der Tag der offenen Tür etwa, außerdem die Reihe „Kunstsalon“, bei der geladene Gäste in einem der Ateliers Vorträge geben. Interessierte aus ganz Lüneburg kämen zu diesen Terminen mit dem Fahrrad angeradelt, berichtet George.
Mindestens 20 Stunden pro Woche sollen die Künstler in ihren Ateliers verbringen
„Es hat sich alles sehr positiv entwickelt“, sagt Ness. Allein der Geräuschpegel, etwa von Kinderkursen und Bandproben, sorge manchmal für eine Herausforderung. Aber diesen Preis müsse man eben zahlen – dafür dass das Haus ein belebtes ist. Dass die Mieter ihre Ateliers tatsächlich beleben, gehört auch zu den Bedingungen, die die Sparkassenstiftung Lüneburg an die Kulturschaffenden stellt: Mindestens 20 Stunden pro Woche sollen sie in ihren Ateliers anwesend sein. Einige wenige konnten diese Bedingungen dann doch nicht erfüllen und zogen aus, andere zogen nach.
Ausstellung Nummer zwei: Retrospektive Plakatausstellung
Einen Rückblick zu den Ausstellungen der Sparkassenstiftung bietet die Ausstellung „10 Jahre Kulturbäckerei“, die parallel zu der Schau in der Halle unten, oben im Atrium zu sehen ist. Sie versammelt eine Auswahl an Ausstellungsplakaten und historische Bilder, die den Umbau von der ehemaligen Heeresbäckerei in Erinnerung rufen. Immerhin wurden hier, wo heute Texte, Schmuck und Kunstwerke produziert werden, einmal Brote für Soldaten gebacken.
Die wohl erfolgreichste Ausstellung der Stiftung war die der „Bravo“-Starschnitte, die 2017 lief. Das zugehörige Plakat wurde sogar samt Rahmung von der öffentlich zugänglichen Toilette in der Kulturbäckerei entwendet. Die Diebin oder der Dieb muss ein echter „Bravo“-Fan gewesen sein. Oder hatte die Person in der Jugendzeit möglicherweise keinen Zugang zur „Bravo“, konnte selbst keine Starschnitte sammeln, weil die Eltern es verboten hatten?
Um genau diese persönlichen Verknüpfungen soll es während der Ausstellung vor sieben Jahren in erster Linie gegangen sein. Auch andere Ausstellungen der Stiftung mit einfachem Zugang, etwa zur Lüneburger Heide und ihren Mythen oder, erst kürzlich, zu Romy Schneider, zogen ein breites Publikum an.
Das Persönliche macht die Ausstellung rund
Und obwohl sie nicht verschiedener sein könnten, so haben diese bereits vergangenen Ausstellungen der Stiftung und die Schau, die derzeit von den Kulturschaffenden aus den Ateliers im Erdgeschoss aufgebaut wird, eben doch etwas gemeinsam: Sie boten und bieten Raum für das Persönliche, für Geschichten, die keine Künstliche Intelligenz kennt.
Die Künstlerin Brigitte Menke hat für die aktuelle Ausstellung im Erdgeschoss der Kulturbäckerei Bäume besucht, auch eine alte Eiche im Allgäu mit elf Metern Durchmesser. Mit zwei- und dreidimensionalen Collagen aus Fotos und Baumteilen möchte sie die Ästhetik der Vergänglichkeit zeigen. Anke Gruß stellt eine großformatige Malerei aus, die an Alice im Wunderland erinnert. Wie die Kulisse auf einer Bühne nimmt sie den Ausstellungsraum ein, lässt allerdings auch Platz für die Fantasie der Betrachterinnen und Betrachter.
Kunst-Ausstellung in Lüneburg: Das große KI-Ratespiel möge beginnen
Gudrun Jakubeit wiederum hat in ihren Exponaten eine persönliche Geschichte verarbeitet. Im vergangenen Jahr hat die Malerin eine schwere Krankheit überstanden – was sie dazu veranlasst hat, für die Ausstellung ihr chinesisches Sternzeichen zu verbildlichen. Ihre Feuer-Pferde strotzen nur so vor Energie.
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Die Jubiläumsausstellung, die am Sonntag startet, birgt aber auch ein Rätsel: Eins der Kunstwerke wurde nicht von künstlerischer, sondern tatsächlich von Künstlicher Intelligenz geschaffen. Welches dies sein könnte, müssen die Besucherinnen und Besucher selbst herausfinden. Die Ausstellenden haben gelost, und sich auch untereinander nicht verraten, welches Los sie gezogen haben. Das Ratespiel möge beginnen – und vielleicht mehr über die Bedeutung von künstlerischer Intelligenz verraten!
„KI – Künstlerische Intelligenz“, Gemeinschaftsausstellung der Kreativen der Kulturbäckerei, und „10 Jahre Kultur Bäckerei!“, Dorette-von-Stern-Str. 2, Eröffnung beider Ausstellungen am 7. Juli um 15 Uhr, Finissage-Party am 24. August ab 16 Uhr