Hamburg. Das Gendern mag gut gemeint sein – warum die Idee trotzdem ziemlich schlecht ist

Deutschland hat leider derzeit einige größere Probleme als das Gendern: den Krieg in Europa. Die drohende Deindustrialisierung. Die Unversöhnlichkeit der Menschen. Die gesellschaftliche Spaltung. Den Rechtsruck. Und der Kolumnist schreibt über das Gendern!?

Gendern in Hamburg: Sagen Sie Bürger*innenmeister*innenkandidat*innen?

Ja, es muss noch einmal sein: Denn was das Mehl für den Bäcker, die Bibel für die Pastorin und der Ball für Kicker ist, das ist die Sprache für den Journalisten: sein Werkzeug, sein Lebenselixier.

Welcher Schriftsteller gendert? Wen erfreut die Flut von substantivierten Partizipien wie Studierende, Demonstrierende, Lesende? Wollen wir Bürger*innenmeister*innenkandidat*innen? Wer sagt wirklich Fußverkehr, um fluide Fußgänger nicht zu verstören? Was gewinnt eine Sprache, die ideologisch so aufgeladen wird?

Natürlich darf ein jeder reden, schreiben und glottisschlagen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, wie sein Herz begehrt. Er kann rückwärts reden, Geheimcodes verwenden oder Laute erfinden – Kinder lieben es, sich neue Sprachen auszudenken. Sie merken aber schnell, dass es außerhalb des Baumhauses klüger ist, verständlich zu sprechen.

Die Idee hinter dem Gender-Stern ist durchaus charmant

Bis zur Erfindung des Gender-Sterns galt das als Konsens. Natürlich ist Sprache nicht festgefügt und darf sich verändern. Aber von unten! Wir ticken nun mal antiautoritär. Beim Gendern indes geht es um autoritäre Volkserziehung, um einen sprachlichen Übergriff von oben. Zweifellos möchten viele, die mit Unterstrichen sprechen, mit Sternen schreiben oder mit Doppelpunkten dichten, etwas Gutes: die geschlechtliche Vielfalt abbilden.

Aber leider ist die Grundannahme falsch. Denn das grammatische Maskulinum sagt nichts über das tatsächliche Geschlecht aus. Oder ist die Führungskraft weiblich? Das Mitglied sächlich? Und welches Geschlecht hat das Mädchen?

Es geht um Kommunikation, nicht um Haltung!

Sprache hat eine andere Funktion, als vermeintlich „gendersensibel“ oder „gendergerecht“ zu sein: Sprache soll Verständigung ermöglichen und Kommunikation auf Augenhöhe ermöglichen. Genau darum geht es nun nicht mehr: Es interessiert Gender-Aktivisten nicht, dass Blinde ihre Sprache nicht mehr lesen und Zuwanderer sie nicht verstehen; sie missbrauchen ihre Kommunikation, um eine Haltung zu präsentieren und sich als besonders woke, gut und fortschrittlich zu präsentieren.

Damit aber verkommt jedes Gespräch zum Kulturkampf: Wer gendert, wird auf das Gendern reduziert, wer gendern ablehnt, gerät rasch unter Radikalimusverdacht.

Was gesagt wird, spielt keine Rolle mehr, entscheidend ist, wie es gesagt wird. Dabei lehnt in jeder Umfrage eine große Mehrheit der Deutschen das Gendern ab. Gerade hat der allein maßgebliche Rat für deutsche Rechtschreibung das Gendern ausdrücklich nicht in sein Regelwerk aufgenommen.

Warum die Volksinitiative nicht für einen Kompromiss nutzen?

Aber mit Regeln ist das so eine Sache – manchen sind hehre Motive wichtiger als Regeln. So wird an Schulen, die eigentlich weltanschaulich neutral sein sollen, genauso gegendert wie an Universitäten, in der Politik oder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Die Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ hat am Freitag 16.457 Unterschriften im Rathaus übergeben. Das könnte die Möglichkeit sein, einen Kompromiss zu suchen und den Streit zu entschärfen. Aber der Senat, der sonst stets die Einigung mit fast allen Volksinitiativen sucht, blockt bislang ab.

Statt über Sinn und Unsinn zu diskutieren, hatten viele Freund*innen des Genderns zuvor die Initiatorin Sabine Mertens diskreditiert. Nun waren deren Einlassungen sicher nicht hilfreich, aber die Volksgesetzgebung ist kein Personenwahlrecht – der Inhalt entscheidet, nicht der Kopf dahinter.

Am Ende ist egal, ob Till Lindemann, Papst Franziskus, Claudia Schiffer oder das Krümelmonster Unterschriften sammeln. Es geht auch nicht um rechts oder links, queerfreundlich oder queerfeindlich, es geht um Sprache, um Kommunikation, ums Verstehen.

Und so am Ende um mehr: Die Muttersprache ist etwas Persönliches, niemand will sich über den Mund fahren, geschweige denn den Mund verbieten lassen. Wer Neusprech erfindet und ihn von oben verordnet – auch in bester Absicht – handelt antidemokratisch. Und verschärft, ohne es zu wollen, damit drei Probleme: die Unversöhnlichkeit der Lager. Die gesellschaftliche Spaltung. Den Rechtsruck.