Hamburg. Aus Kellern werden in Zeiten der Immobilienknappheit in Hamburg teure Wohnungen unter Tage – was für ein düsterer Ausblick.
Beginnen wir mit den Vorteilen, das hält nicht so lange auf: Man muss nicht viele Treppen steigen, und an den vier Tagen Hamburger Hochsommer ist es angenehm kühl. Zudem ist der Miet- oder Kaufpreis in der Regel etwas geringer, was aber daran liegt, dass eine Souterrainwohnung eigentlich nur Nachteile hat.
Der Name sagt ja schon alles: „Sous-terrain“, unter der Erde. Da können gerne Kartoffeln und Koffer lagen, mit etwas Liebe ein Hobby- oder Spielzimmer eingerichtet werden, und mit ganz viele Liebe und einer guten Heizung auch ein Büro – aber hier leben? Nein, danke.
In einer Souterrainwohnung möchte man nicht mal begraben werden.
Wohnen Hamburg: Ein Souterrain für 2300 Euro Miete - kalt, versteht sich
Doch was nützt es, der Wohnraum ist knapp, und nach unten hin ist noch Luft. Oder zumindest Erde. Wohnungen im Souterrain sind deshalb heute längst nicht mehr nur noch was für arme Studenten. Mit einem hübschen Boden und neuem Bad werden die zwei Zimmer im Grindelviertel schon mal für 2300 Euro Miete angeboten. Kalt, versteht sich. Dafür hat man dann besten Ausblick auf die vor dem Wohnzimmer parkenden Autos.
Zu kaufen gibt es dieses Höhlenflair zum Beispiel in beziehungsweise unter einem Altbaumehrfamilienhaus in Eimsbüttel, 3,5 Zimmer auf 77 Quadratmetern für 599.000 Euro. Super praktisch für die junge Familie: Es gibt keinen Flur, Kind und Einkäufe können direkt vom Bürgersteig aus in die Wohnküche gereicht werden. Man muss sich nur einmal bücken.
Da fröstelt der Kaufinteressent schon beim Anblick des Exposés
Da nützt auch die bei der Modernisierung eingebaute Fußbodenheizung nichts, da fröstelt der Kaufinteressent schon beim Anblick des Exposés. Aber nein, ein Clou der Wohnung ist, dass zusätzlich noch die Heizungsrohre für die darüberliegenden Wohnungen durch die Räume laufen und diese passiv mitheizen. Hach, wie gemütlich.
Als großes Plus von Souterrainwohnungen wird ja auch der meist direkte Zugang zum (Gemeinschafts)Garten genannt. Statt auf Autoreifen guckt man hier also auf die Füße der anderen Hausbewohner. Ganz abgesehen davon, was vom Erdreich direkten Zugang in die Wohnung hat: Ameisen, Käfer, Spinnen – alle ebenfalls unmittelbare Nachbarn. Nicht zu vergessen das Laub, dass hier wunderbar einfach zum Fenster reinwehen kann.
Mastersuite mit Blick aus dem Abgrund und fensterlosem Untergrundbad
Das Schlimmste aber ist und bleibt, da kann man sanieren wie man will: Das Leben unter Tage ist düster. Ja, natürlich, gerade bei neuen Häusern werden die Fenster größer und die Lichtschächte tiefer. Aber was soll man sagen: Schacht, tief – erklärt sich von selbst, oder? Selbst bei Wohnungen am Hang, die zu einer Seite eine komplette Fensterfront haben, fehlt das Licht von der anderen Seite.
Trotzdem wird auch bei Neubau-Reihenhäusern auf den Souterrain zum Wohnen oder zumindest zum Schlafen gesetzt. Auch aus der Not heraus, dass an vielen Stellen die Bebauungspläne kein weiteres Stockwerk nach oben hin hergeben und die Fläche limitiert ist, wenn man auf ein Grundstück statt einem jetzt vier Häuser baut. Da hat man dann 1,2 Millionen bezahlt, um in seiner Mastersuite mit Blick aus dem Abgrund zu schlafen und im fensterlosen Untergrundbad zu duschen, während der Nachwuchs zwei Stockwerke weiter oben die Kinderzimmer auseinander nimmt.
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Gleichzeitig hat sich ja die Unsitte verbreitet, Häuser ohne Keller zu bauen. Das merkt man beim Besuch der Familien, die in so ein kellerloses Townhouse gezogen sind und die ihren halben Hausstand nun im Gartenhaus unterbringen. Schließlich hat man immer mindestens zwei Kubikmeter mehr Dinge, als in den Abstellraum unter der Treppe passen.
Wohnen Hamburg: Lieber Eigentumswohnung mit Keller als Souterrainwohnung
Ganz zu schweigen von den Bewohnern der ganzen Neubauquartiere in Hamburg, wo grundsätzlich nicht an Untergrundarbeiten gespart wird, da man einen Tiefgaragenstellplatz wunderbar für 30.000 Euro aufwärts verkaufen kann, während die hochpreisigen Eigentumswohnungen aus allen Nähten platzen.
Nach dem Abwägen aller Vor- und Nachteile kommt man zu dem Schluss: Wenn Souterrainwohnungen nicht zum Wohnen genutzt und damit zu dem werden, was sie ja nun mal sind: Keller – dann sind sie purer Luxus. Für alle, die oberhalb des Straßenniveaus leben.