Würden Menschen dann noch an vierspurigen Straßen leben müssen? Oder wäre die Stadt ein großes, glückliches Bullerbü?
Seit die Highways wirklich in den Wolken hängen / Ist in den Straßen wieder Platz für Menschenmengen / Seit der Lärm vor meinem Fenster nach sweet music klingt / Seit die Häuser, die wir bauen, wieder bewohnbar sind / Ist man nicht mehr unterwegs, sondern ständig am Verreisen / All die Plätze, Gassen, Viertel, die wie Monde um uns kreisen / In einer anderen Stadt, für ein anderes Leben / Da werden wir uns wieder begegnen.
Dieses Lied der österreichischen Band Ja, Panik spuckte der iPod ironischerweise gerade in dem Moment aus, als die Joggingstrecke an einer viel befahrenen Straße entlangführte. Und an einer gleichzeitig viel bewohnten. Wie ist es wohl, hier zu leben, mit bestem Blick auf vier Spuren? Hören die Bewohner die vorbeifahrenden Fahrzeuge überhaupt noch oder ist der Verkehr für sie nur mehr ein Hintergrundrauschen?
Wohnen in Hamburg: Neubau zwei Meter von der Fahrbahn entfernt
Ein paar Balkone sind liebevoll dekoriert, mit Möbeln und Lichterketten. Fällt es unter Großstadtromantik, hier im Sommer sein Feierabendbier zu trinken? Klingt der Lärm vor dem Fenster nach süßer Musik, wenn man die Augen nur fest genug verschließt?
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Vor dem inneren Auge erscheint ein Neubau an der Osdorfer Landstraße, den Immoscout vielfach angeboten hatte, der aber unbewohnbar ist. Zumindest die Wohnungen im Erdgeschoss. Die bodentiefen Fenster und Terrassentüren liegen unmittelbar am Gehweg, nur zwei Schritte von der Fahrbahn entfernt. Wie kann man so etwas nur bauen?
Neue Quartiere sind wie kleine Bullerbüdörfer
Wir wissen doch inzwischen, dass es auch anders geht. Mit Quartieren, die bewusst so geplant sind, dass die Plätze dazwischen zum Leben gemacht sind. Nicht zum Durchrauschen. So wie beim neuen Beiersdorfquartier in Eimsbüttel, in dem 800 Mietwohnungen entstehen. Die zentrale Gasse zwischen den begrünten Gebäuden soll das Wohnzimmer des Viertels werden, wünscht sich der Architekt. Hier sollen die Bewohner vor den Cafés sitzen, Kinder bemalen die Ziegelsteine auf dem Boden mit Kreide. Autos? Bleiben draußen beziehungsweise in der Tiefgarage. Unter der Erde ist noch besser als in den Wolken.
Mittlerweile wird in Hamburg viel so geplant, kleine Bullerbüdörfer, mit Bäumen und Photovoltaikanlagen auf den Dächern, in denen die Kinder vor der Tür spielen können.
Kleiner Grasbrook: Autos werden abgefangen
Mit dem Kleinen Grasbrook entsteht sogar ein ganzer Stadtteil nach diesem Prinzip. Der motorisierte Verkehr wurde hier nicht ein-, sondern bewusst weggeplant. Die Autos sollen an zentralen Stellen abgefangen und in Quartiersgaragen geführt werden, versprechen die Planer. Dafür gibt es einen Boulevard für Fahrräder, eine U-Bahn-Haltestelle, eine Fähranbindung und autonom fahrende Shuttlebusse. Und in den Straßen wieder Platz für Menschenmengen.
Wie wird es wohl sein, hier zu leben? Wer von der vierspurigen Hauptstraße auf den Kleinen Grasbrook kommt, wird auf jeden Fall das Gefühl haben, sich in einer anderen Stadt zu befinden.
Wie können wir die Hauptstraßen heute noch bändigen?
Leider können wir nicht überall neu anfangen. Aber wie sähe Hamburg aus, wenn wir vor 50 Jahren schon so weit gewesen wären wie heute? Wir müssten uns nicht mehr überlegen, wie wir unsere Hauptstraßen „bändigen“ können. Wie wir „Transiträume“ in „Stadträume“ verwandeln. Wo wir noch Freiräume schaffen und dafür sorgen, dass Menschen, die nicht mit dem Auto unterwegs sind, nur Resträume bleiben. Magistralenkonzepte wären nur irgendetwas Mathematisches und die Berechnungen, wie viele Menschen wir an Ausfallstraßen ausquartieren können, ein Nullsummenspiel.
Wir müssten uns nicht über solche Dinge wie Bewohnerparken streiten und am runden Tisch krampfhaft überlegen, wie wir das Zentrum der Stadt wieder mit Leben füllen. Parkhäuser wären Wohnhäuser, in Einkaufsmeilen würden Menschen wieder flanieren statt mit dem SUV in Schaufenster fahren. Und die Anwohner der Autobahn würden schon seit Jahrzehnten auf grüne Wiesen blicken und nicht auf Lärmschutzwände.
Wohnen Hamburg: Wir brauchen eine Stadt, die bewohnbar ist
Oder wären die, die es sich leisten können, schon auf die Barrikaden gegangen?
Menschen scheuen Veränderungen. Aber wir haben keine andere Stadt. Und kein anderes Leben. Wir brauchen ein Hamburg, das bewohnbar ist.