Hamburg. Die einen verstecken sich im Homeoffice vor Bauarbeitern, die anderen warten ewig auf den Elektriker. Der Handwerker-Fluch von Hamburg.

Eine Freundin schickte neulich ein Foto von sich aus dem Homeoffice. Sie machte gerade Kaffeepause und saß im Wohnzimmer. Auf dem Fußboden, hinter dem Sessel. Was war denn da los?

„Ich verstecke mich“, schrieb sie. „Die Bauarbeiter sind wieder da.“

Nun muss man vor Bauarbeitern keine Angst haben, im Gegenteil, man sollte froh sein, wenn sie auftauchen, vor allem als Eigenheimbesitzer. Dieser Tage einen Handwerker zu finden ist ja quasi aussichtslos, das fällt in eine Kategorie mit Scharlach-Antibiotikum für Kinder und einem kurzfristigen Termin im Kundenzentrum.

Immobilien: Besitzer in Hamburg warten zwölf Wochen auf Handwerker

So suchten Bekannte kürzlich nach einem Elektriker, der „mal eben schnell vorbeikommt“. Haha. Drei Wochen lang leuchtete der über der Haustür angebrachte Strahler, der normalerweise nur per Bewegungsmelder anspringt, durchgehend auch nachts – zur Freude der umliegenden Reihenhausnachbarn –, bis ein Fachmann Zeit fand, den Defekt zu kappen. Und das ging noch schnell.

Laut dem Zentralverband des deutschen Handwerks müssen Privatleute derzeit im Schnitt um die zwölf Wochen auf einen Termin warten. Im Bereich Hausbau und Ausbau noch länger. Nach dem Umbau eines Gartens fragt man besser gar nicht.

Reihenhaus in Hamburg mit Aussicht auf die Baustelle

Was uns zurück zur hinter dem Sessel kauernden Freundin bringt. Auch diese freut sich natürlich, wenn es mit den Arbeiten an ihrem Haus voran geht. Trotzdem kann sie die Arbeiter mittlerweile nicht mehr sehen. Dabei hat sie doch durch die fünf Meter breite, bodentiefe Fensterfront beste Aussicht auf die Baustelle. Die Bauarbeiter allerdings auch von außen in ihr Wohnzimmer.

Tagelang tauche niemand auf, aber immer, wenn sie sich gerade einen Kaffee mache und mal fünf Minuten auf dem Sofa sitzen wolle, seien die da, berichtet die Freundin. Als könnten sie das frisch aufgebrühte Getränk riechen. „Ist doch peinlich, die müssen ja denken, ich sitze den ganzen Tag nur rum und trinke Kaffee!“

Neubausiedlung steht im Moorgebiet – Reihenhäuser haben feuchte Keller

Luxussorgen, möchte man meinen. Doch die Baustelle besagter Freundin fand an dieser Stelle bereits vor fünf Monaten schon einmal kurz Erwähnung, die Leidensgeschichte geht also schon länger. Begonnen hatte alles mit Wasserflecken an den Kelleraußenwänden mehrerer Reihenhäuser. Die gesamte Neubausiedlung steht im Moorgebiet und wurde deshalb in einer weißen Wanne errichtet, also in einer wasserundurchlässigen Stahlbetonkonstruktion, die das Eindringen von Grundwasser verhindert. Theoretisch.

Praktisch musste nun nachträglich ein mehrere Meter tiefer Graben um die Häuser gebuddelt werden, um die Kellerwände über Löcher von außen zusätzlich abzudichten. „Ist ‘ne Sache von drei Wochen“, hieß es. Drei Monate später sah das Ganze immer noch aus wie die Suche nach Pompeji.

Townhouse in Hamburg: Wer bezahlt den Rollrasen?

Mittlerweile sind die Gräben vor ihrer Häuserreihe wieder zu. Dafür ist jetzt die Nachbarreihe dran, und dorthin führt für Bagger und Arbeiter nur ein Weg – durch ihren Garten.

Während es anderswo sprießt und blüht, gedeihen hier nur Matschberge, und es wächst der Streit zwischen Townhousebesitzern und Bauträger, ob ein Rollrasen bezahlt und die seit Herbst auf einem Haufen neben der Baustelle vor sich hin vegetierenden Heckensträucher tatsächlich wieder eingepflanzt werden.

Immobilien Hamburg: Der Handwerker kommt stets zur Kaffeepause

Dabei kann man nur von Glück reden, dass der Außenbereich noch nicht benutzbar ist. Schreckte die Hamburger Familie doch vor Kurzem vom Frühstückstisch hoch, weil es draußen einen lauten Knall gab. Ein massiver, ein Meter langer Zierstein hatte sich von der Hausfassade gelöst und war auf der gerade wieder hergestellten Terrasse zerschellt. Noch eine Baustelle.

Nachdem sämtliche Zierfassaden zunächst sicherheitshalber abgebaut worden waren, nutzte die Freundin neulich eine Sonnenpause und setzte sich mit ihrem Kaffee auf einen Klappstuhl mit Blick auf den Bauzaun. Es dauerte keine fünf Minuten, da standen zwei Arbeiter vor ihr. Sie waren gekommen, um die Kasematten zu reinigen.

Darauf hätte man durchaus noch zwölf Wochen warten können.