Die Demografie stellt Fragen. Die Gesundheitspolitik muss schnell antworten. Was bei Kinder- und Hausärzten jetzt passieren muss.
Wenn jede dritte Praxisärztin, jeder dritte Praxisarzt in Hamburg über 60 Jahre alt ist, sollten nicht nur bei ihren Patienten die Alarmglocken heftig bimmeln. Es scheint überhaupt nicht im gesundheitspolitischen Raum angekommen zu sein, dass die Ärzteschaft so krass und so schnell überaltert. Dass gerade bei den Haus- und Kinderärzten die Versorgung bedroht ist – diese Erkenntnis wurde gerade erst wieder strapaziert in der Welle an Grippe, RSV und Atemwegserkrankungen insgesamt. Corona war da nur noch eine Randnotiz. Fast muss man es als seltenes Erkenntnisglück nehmen, dass eine aktuelle Krise so passgenau mit einer strukturellen zusammentrifft. Und die Folge? Weiterwurschteln wie immer.
Wann trifft sich endlich einmal eine der vielen „Task Forces“ zur offensichtlichsten aller Tagesordnungen? TOP 1: Demografischer Wandel. TOP 2: Lösungswege.
Ärzte in Hamburg überaltert: Das sind die Folgen
Ist ja beinahe so wie das Wegschauen auf dem Sprint in die Pflegekatastrophe, sagen Zyniker. Doch Spott beiseite: Was Expertinnen und Experten für Hamburg vorschlagen, sollte schleunigst debattiert werden. Mehr Studienplätze für Medizin gehören dazu, liebe Wissenschaftssenatorin, dazu eine Fokussierung oder Prämie oder was auch immer als Anreiz, damit die Allgemeinmedizin gestärkt wird. Mehr Zusammenarbeit mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen gehört ebenfalls dazu, Frau Wirtschaftssenatorin. Bei der Elbe geht es ja auch – oder nicht?
Und: Natürlich gehört auch mehr Flexibilität für niedergelassene Ärzte dazu, Frau Gesundheitssenatorin. Diese sollen Filialen in unterversorgten Quartieren gründen und ihre Sitze halbieren, teilen, verdoppeln können – was auch immer es kostet, alle Bürger ambulant und schnell mit dem Nötigen zu versorgen. Schnell und modern bedeutet in der Medizin nichts anderes als kosteneffektiv.
System Lauterbach ist am Ende
Eine geballte „Nord-Power“ sollte auch den „Krankenhausminister“ Karl Lauterbach (SPD) an die Versprechungen seiner „Ampel“ erinnern, die gesundheitspolitisch nur eine Farbe kennt: Rot. „Wir stellen gemeinsam mit den KVen die Versorgung in unterversorgten Regionen sicher.“ So steht es im Koalitionsvertrag. Und weiter: „Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf. Die Gründung von kommunal getragenen Medizinischen Versorgungszentren und deren Zweigpraxen erleichtern wir und bauen bürokratische Hürden ab.“ Und so wartet man weiter, dass sich Bund und Länder mal rühren.
Und da die Kosten bereits angesprochen wurden: Die gesetzlichen Krankenkassen werden sie mittragen müssen, auch über höhere Beiträge oder über ein Plus an Steuerzuschüssen. Die Demografie ist nun mal so: Altsein kostet! Immer wieder die Kassen an die Kandare zu nehmen, gleichzeitig die Ärzte zu knebeln und immer schön alle gegeneinander ausspielen – dieses System Lauterbach ist am Ende.
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Digitalisierung im Gesundheitswesen lahmt
Auch Patientinnen und Patienten muss klar sein, dass sie sich zwar viel ergoogeln können, die Gesundheitskompetenz aber erfahren und erfühlen müssen. Mit Recht fordern sie ein Mehr an Digitalisierung, die die heutige Arzt-Patienten-Kommunikation nicht bietet. Das ist mit das Erschütterndste an den Befunden zu alternden Ärzten und alternder Gesellschaft. Im Bemühen um perfekte Systeme und Schnittstellen und digitale Möglichkeiten verstrickt sich der politisch-medizinische Komplex in seiner Trägheit. Schnellere Lösungen sind allerorten eine Überlebensfrage geworden.
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