Kiel. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister plädiert für mehr Optimismus. Der Däne nennt eine wichtige Lektion für die Deutschen.
Wenn es um Mentalitäts-Unterschiede zwischen Deutschen und Dänen geht, erzählt man sich in Dänemark gern folgenden Witz: In einer schweren Wirtschaftskrise kaufen sich ein Däne und ein Deutscher eine letzte Flasche guten Wein. Der Däne genießt sie noch am selben Abend und sagt: Wer weiß, wann ich je wieder einen so guten Wein trinken kann. Der Deutsche sagt ebenfalls: Wer weiß, wann ich je wieder einen so guten Wein trinken kann. Und legt sich die Flasche in den Keller.
Das ist natürlich übertrieben, und doch steckt vielleicht ein Körnchen Wahrheit darin. Nehmen wir den geplanten Fehmarnbelt-Tunnel, der Deutschland und Dänemark ab 2029 verbinden wird.
Dänemark: Nur 36 Einwendungen gegen Fehmarnbelt-Tunnel
Als das Projekt vor bald zehn Jahren in die heiße Planungsphase ging, gab es auf dänischer Seite gerade einmal 36 Einwendungen, auf deutscher Seite fast 12.600. Und dass, obwohl die Dänen den Tunnel allein bezahlen, während die Deutschen „nur“ für ihre Straßen- und Schienenanbindung aufkommen müssen. Vielleicht liegt es daran, dass Dänen sich tendenziell eher fragen: Wo liegt meine Chance? Während Deutsche eher fragen: Wo ist der Haken?
Wer einmal die Tunnelbaustelle in Rødby auf Lolland besucht, der stellt fest: Auf dänischer Seite pulsiert und brummt es – längst sind dort Gewerbegebiete entlang der Belttrasse erschlossen oder Berufsschulen entstanden, in denen junge Menschen passgenau für das ausgebildet werden, was es an Fachleuten für dieses Jahrhundertprojekt braucht.
Auf deutscher Seite gibt es zwar auch viele Enthusiasten – etwa im Verein Hansebelt – aber nach wie vor auch erstaunlich viele Skeptiker und Zauderer. Und immer noch wird viel Energie und Geld in Klagen investiert, obwohl das höchste deutsche Verwaltungsgericht den Tunnelbau längst für rechtens erklärt hat.
Eine wichtige Lektion für die Deutschen
Also könnte aus meiner Sicht eine wichtige Lektion für die Deutschen lauten: Lasst Euch hin und wieder etwas mehr vom zupackenden Optimismus und vor allem vom gesetzgeberischen Pragmatismus der Dänen anstecken. Und überlegt, ob es nicht klug wäre, für demokratisch legitimierte Vorhaben das Verfahrensrecht mal zu entrümpeln und Planungsprozesse zu beschleunigen.
Manchmal hat man das Gefühl, dass sich Großprojekte – dazu zählt übrigens auch die A 20 – im selbstgestrickten Gestrüpp aus Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen verheddern. Dabei brauchen wir eine funktionsfähige Infrastruktur ganz besonders in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein. Und dazu gehören Autobahnen genauso wie ein gutes Straßen- und Radwegenetz
Was Dänen von Deutschen lernen können
Doch möchte ich hier als Däne keineswegs den Eindruck erwecken, als könnten nur die Deutschen von den Dänen lernen. Man braucht nur den Blick von der Beltregion auf den Jütlandkorridor richten. An vielen Tagen staut sich hier der Verkehr, weil die Dänen aus einer diffusen Furcht heraus massive Grenzkontrollen vornehmen.
Das ist genau das Gegenteil von Optimismus und europäischer Offenheit. Hier lautet die Lektion also: Schaut, wie offen und souverän die deutschen Nachbarn das Thema angehen, ohne dass die innere Sicherheit je einen nennenswerten Schaden genommen hat.
Mit anderen Worten: Wir sollten Europa nicht nur in Sonntagsreden hochleben lassen, sondern tatsächlich leben. Und ich selbst bin als gebürtiger Däne in einem deutschen Ministeramt vielleicht sogar ein gutes Beispiel dafür.
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Was die direkte Nachbarschaft zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark anbelangt, sehe ich übrigens weitaus mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes. Bei meinen vielen Terminen als Wirtschafts- und Verkehrsminister stelle ich nicht nur immer wieder fest, dass viele Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner dänisch sprechen. Ich spüre auch, dass beide Seiten vom selben Mindset, also derselben Grundhaltung geprägt und angetrieben sind.
Vielleicht ist das ja auch eine Erklärung dafür, dass die Dänen die glücklichsten Europäer und die Schleswig-Holsteiner die glücklichsten Deutschen sind.
Machen wir was draus!