Kiel. Er ist die überraschendste Personalie der schwarz-grünen Regierung: Wie tickt der Mann, der bislang Oberbürgermeister von Rostock war?

Er ist die größte Überraschung in der neuen schleswig-holsteinischen Landesregierung: Daniel Günther hat den parteilosen Dänen Claus Ruhe Madsen als Wirtschaftsminister berufen. Der wurde 2019 in Rostock zum ersten Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt ohne deutsche Staatsbürgerschaft gewählt; jetzt ist der 49-Jährige der erste dänische Minister in einem deutschen Kabinett.

Aber wer ist dieser Claus Ruhe Madsen? Wie tickt er? Was befähigt ihn zu diesem Job? Was kann er Günther bieten, was der nicht in seiner Partei finden kann? Andreas Meyer, der Madsen sehr gut kennt, beschreibt den Dänen als „sehr kreativ und kommunikativ“, als „geborenen Verkäufer“. Madsen sei der „beste Außenminister, den Rostock je gehabt habe“, sagt der Journalist der „Ostsee-Zeitung“, der Madsen die vergangenen Jahre eng begleitet hat.

Claus Ruhe Madsen wollte in Rostock viele anders machen

Das ist, in etwa, auch die vorrangige Anforderung an einen Landeswirtschaftsminister: Türen öffnen, positive Stimmung machen, Entscheider zusammenbringen. Und ansonsten? „Ich bekomme gar nicht genug davon, Bänder zu durchschneiden“, hat der scheidende Wirtschaftsminister Bernd Buchholz vor wenigen Wochen schmunzelnd erzählt. Bänder zu durchschneiden heißt – es ist wieder ein Infrastrukturprojekt fertig geworden.

In Rostock gab es zwar nicht so viele Bänder für Madsen, aber eine Menge voranzutreiben und radikal zu verändern. Madsen wollte vieles anders machen, die Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben, das Fahrradfahren in der Stadt fördern, mehr auf die Bedürfnisse der Rostocker eingehen, die Wohnungsnot bekämpfen. Nach Einschätzung des Kreisvorsitzenden der Rostocker CDU fällt die Bilanz dabei „eher mittelprächtig aus“. In nicht einmal drei Jahren schaffe man eben nicht die großen Projekte, sagte Daniel Peters, Generalsekretär der Landes-CDU, der Deutschen Presseagentur. Die Partei hatte Madsen im Wahlkampf unterstützt.

Claus Ruhe Madsen: "Daniel Günther ist mir extrem sympathisch"

Madsen steht der CDU nahe. Und so kam Günthers Jobangebot auch nicht wirklich überraschend für ihn. „Wir haben in der vergangenen Zeit mehrere sehr intensive Gespräch geführt. Günther ist mir extrem sympathisch, seine Politik gefällt mir“, sagte Madsen am Mittwoch dem Hamburger Abendblatt. Die Zusammenarbeit passe menschlich und politisch. Ein Ziel seiner Arbeit als Wirtschaftsminister sei es, die Beziehungen zu Dänemark zu stärken. In der Digitalisierung und der grünen Technologie sei Deutschland ein wenig hinterher. „Da können wir voneinander lernen, sagte Madsen. „Ich möchte natürlich, dass das Land auch schnell zu einem grünen Industrieland wird.“

Vorrangige Aufgabe nach der Übernahme des Ministeriums sei aber, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzuholen, Teil des Teams zu werden“, sagte Madsen. „Erstes Ziel muss sein, das Haus und die Menschen gut kennenzulernen und von ihnen zu erfahren, was angepackt werden sollte und was gut läuft.“ Wichtig sei es deshalb, erst einmal nach dem Motto zu agieren: „Große Ohren, kleiner Mund.“

Madsen ist umtriebiger Geschäftsmann und leidenschaftlicher Radrennfahrer

Madsen war schon viel in seinem Berufsleben. Als erfolgreicher Unternehmer hat der Mann mit dem markanten Vollbart 1998 Möbel Wikinger eröffnet. Das Möbelhaus beschäftigt rund 100 Mitarbeiter an vier Standorten. 14 Jahre später die nächste Idee, als Madsen 2012 die „Food and Fun GmbH“ für Strandbewirtschaftung gründete. Die hat er später in Mobilson GmbH umbenannt. Das Unternehmen handelt seit 2017 auch mit Wohnmobilen. Das war das dritte Standbein.

Parallel engagierte sich der Däne in der Industrie- und Handelskammer Rostocks, zuletzt, also vor seiner Wahl zum Bürgermeister, sechs Jahre als Präsident. In Rostock wirkte Madsen ehrenamtlich auch abseits der Wirtschaft: 2017 übernahm er die Organisation der „Hanse-Tour Sonnenschein“, sammelt seither mit der jährlichen viertägigen Radtour durch Mecklenburg-Vorpommern Spenden für krebs- und chronisch kranke Kinder ein. Er trainiert eine Jugendhandballmannschaft, ist leidenschaftlicher Radrennfahrer. Motto: Der Wind als die Berge des Nordens.

Personalie Madsen löst schon jetzt viel Skepsis aus

Viel Gegenwind erwartet ihn auf jeden Fall im Kieler Landeshaus. Der Chef der FDP-Fraktion, Christopher Vogt, gibt sich zunächst noch konziliant: „Jedes Regierungsmitglied hat eine faire Chance bei der Bewertung durch die Opposition verdient, aber überzeugend finde ich Daniel Günthers Personalauswahl bisher nicht“, sagte Vogt diesen Dienstag. Um dann so nachzulegen: „Es überrascht mich schon, dass das Vermasseln einer Gartenschau für die Übernahme unseres Wirtschafts- und Verkehrsministeriums qualifizieren soll“, sagte der FDP-Fraktionschef.

Während Madsen für sein erfolgreiches Pandemiemanagement – Rostock galt selbst in der ersten Welle 2020 als nahezu Corona-frei – in Talkshows gefeiert und deutschlandweit bekannt wurde, hat ihm die Absage der Bundesgartenschau 2025 vor wenigen Tagen bundesweiten Spott und Häme eingebracht.

Claus Ruhe Madsen nimmt eine Niederlage aus Rostock mit

Dass man ihm eine Mitschuld an der Buga-Absage gebe, geschehe, weil er ein „sehr verantwortungsvoller Mensch“ sei. „Ich habe sehr früh im Prozess eine Risikoanalyse erstellen lassen.“ Die Kernfrage lautete: Sind wir rechtzeitig fertig? Und das wurde verneint. Madsen sieht die Gründe bei den „Einflüssen von Corona auf die Stadtverwaltung“, der Personaldecke, den Auswirkungen des Krieges. „Es gab zudem zu viele unbekannte Risikofaktoren. Und dann ist es Aufgabe, auch unbeliebte Entscheidungen zu treffen. Wir leben in Zeiten des Verzichts. Und in denen muss man auch mal feststellen, dass eine Blumenausstellung nicht das wichtigste ist.“

Sehr deutlich fällt die Kritik der Vorsitzenden des Rostocker Buga-Ausschusses an Madsen aus. Jana Blaschka sagt: „Klar ist er gescheitert.“ „Prozesse überwachen, an Themen dranbleiben: Nein, das ist nicht seine Stärke. Ergebnis: Rostock vergeigte die Buga 2025 mit Pauken und Trompeten, steht bundesweit blamiert da.“ Das schreibt Andreas Meyer von der Ostseezeitung über das Novum in der 70-jährigen Buga-Geschichte.

Claus Ruhe Madsen: Günther überzeugt vom dänischen Minister

Bevor die Darstellung aber einseitig wird: „Madsen hat es geschafft, dass Rostock bundesweit im Gespräch ist. Der erste EU-Ausländer auf dem OB-Sessel einer deutschen Großstadt – cool! Digitalisierung, ,glückliche Bürger‘ als Agenda – wow! Deutschland staunt über Rostock. Er ist und war der beste Marketingchef, den die Stadt je hatte“, schreibt der Kenner Andreas Meyer. Nur sei es Madsen in Rostock nicht gelungen, die Stadtverwaltung von seinem Erneuerungsprozess zu überzeugen. „Er hat die Verwaltung geführt wie ein großes Unternehmen, dabei aber viele Beschäftigte nicht mitnehmen können und so verloren“, sagt Meyer.

Daniel Günther ist die Kritik an Madsens Amtsführung bekannt. Aber er ist überzeugt von den (kommunikativen) Fähigkeiten des Dänen. Günther hofft, von Madsens Kontakten ins Nachbarland zu profitieren. Damit ähnliche Probleme wie in Rostock in Kiel gar nicht erst auftreten, stellt Günther Madsen Julia Carstens und Tobias von der Heide als Staatssekretäre an die Seite.

Deren Aufgabe ist es erst einmal, die Verwaltung und deren Mitarbeiter effizient und unaufgeregt zu führen, mitzunehmen und auf den neuen Kurs einzuschwören. Carstens leitete zuletzt eine Stabsstelle in der Kieler Staatskanzlei. Der Diplomkaufmann von der Heide war die vergangenen fünf Jahre Landtagsabgeordneter. Bei Lufthansa Technik hat er in führenden Positionen gearbeitet – mit Personalverantwortung.