Hamburg. Eine inklusive Gesellschaft? Wohl kaum. Wie Hamburger Arbeitgeber sich von ihrer Pflicht freikaufen.

Wer in Deutschland als Arbeitgeber mit mindestens 20 Beschäftigten keinen Menschen mit Schwerbehinderung einstellt, muss eine Ausgleichsabgabe entrichten. Oder anders gesagt: Er kann sich aus dieser gesetzlichen Pflicht freikaufen. In Hamburg machen das 34,1 Prozent der Firmen, also mehr als jede dritte, wie der aktuelle Arbeitsmarktbericht zeigt.

Das ist zutiefst beschämend und angesichts eines großen Fachkräftemangels vollkommen unverständlich. Es zeigt jedoch auch, dass die Rede von einer inklusiven Gesellschaft noch immer eine schöne Vision ist.

Menschen mit Behinderungen werden oft als Störfaktor gesehen

Menschen mit Behinderung – zu denen übrigens auch Krebserkrankte, Amputierte und chronisch Kranke zählen können – erscheinen manchen Unternehmern auf den ersten Blick vielleicht unbequem. Sie sind öfter krank, mag ein Arbeitgeber denken, da muss es womöglich Umbauten und Hilfsmittel geben (die übrigens staatlich gefördert werden). Bringt die Arbeitnehmerin mit Handicap überhaupt genügend Leistung, „kann ich sie auf Kunden loslassen“?

Diese Bedenken habe ich alle schon gehört und bin immer wieder erschüttert, wie sehr Menschen mit offensichtlichen Behinderungen eher als Störfaktor denn als Bereicherung für eine Firma, ein Restaurant oder einen Dienstleister wahrgenommen werden.

Viele bringen besondere Lebenserfahrung, einen geschärften Blick auf die Gesellschaft und vor allem eine hohe Motivation mit in den Job. Und wenn wir es mit der Inklusion ernst nehmen, dann sollten für Menschen mit Schwerbehinderungen nicht ständig Nischen geschaffen werden. Auch der erste Arbeitsmarkt sollte sie mit offenen Armen empfangen – und es sollte keinerlei Möglichkeit mehr für Arbeitgeber geben, sich daraus freizukaufen!